Aus dem Morbus-Bechterew-Journal Nr. 108 (März 2007)

Der 5. Internationale Spondyloarthritis-Kongress, 12.–14. Oktober 2006 in Gent

von Prof. Dr. Ernst Feldtkeller, München, Wissenschaftliche Redaktion Morbus-Bechterew-Journal

Zum fünften Mal fand der Internationale Spondyloarthritis-Kongress in Gent statt, im ehemaligen Augustinerkloster „Het Pand“ (in der Nachtaufnahme oben in der linken Bildhälfte zu sehen). Zum fünften Mal war ich als Spondyloarthritis-Forscher und Patientenvertreter mit dabei (Bechterew-Brief Nr. 75 S. 9–14, Nr. 84 S. 21-28, Nr. 92 S. 28–40, MBJ Nr. 101 S. 15–18). Auch diesmal kann ich nur über einige besonders interessante der 37 Vorträge und 87 Poster berichten, die das Programm enthielt.
Während beim ersten Kongress im Jahre 1998 (Bechterew-Brief Nr. 75 S. 9–14) die Versuche im Vordergrund standen, die Rolle des Erbfaktors HLA-B27 bei der Krankheitsentstehung zu verstehen, ist der Anteil der genetischen und immunologischen Forschung am Kongressprogramm inzwischen deutlich zurückgegangen. Die Hoffnungen, den erblichen Beitrag zur Krankheitsursache rasch aufklären zu können, haben sich nicht erfüllt.

Frühdiagnose der Spondylitis ankylosans

Die DVMB-Forschungspreisträger des Jahres 2006, Dr. Martin RUDWALEIT und Professor Joachim SIEPER und neun weitere Forscher testeten das im MBJ Nr. 100 S. 4–9 und MBJ Nr. 106 S. 5–8 beschriebene Diagnoseverfahren der Preisträger und stellten fest, dass damit mehr Morbus-Bechterew-Patienten im Frühstadium erkannt werden können als mit den Amor- oder ESSG-Kriterien (Bechterew-Brief Nr. 53 S. 8–11, MBJ Nr. 106 S. 12). Der Anteil der damit fälschlicherweise als Morbus-Bechterew-Patient diagnostizierten Patienten ist gleich gering wie mit den Amor-Kriterien und geringer als mit den ESSG-Kriterien. Die Berliner Forscher schlagen Allgemein-medizinern und Orthopäden vor, Patienten mit chronischen Kreuzschmerzen im Alter von weniger als 45 Jahren an eine Rheuma-Ambulanz zu überweisen, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien zutrifft:

Von 350 Patienten, die mindestens eines dieser Kriterien erfüllten, hatten 159 Patienten (45%) eine axiale Spondyloarthritis, davon die Hälfte eine Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) mit einer Kreuzdarmbeingelenkentzündung des in den modifizierten New-York-Kriterien (Bechterew-Brief Nr. 58 S. 16, Nr. 88 S. 25, MBJ Nr. 100 S. 5, Nr. 102 S. 5, Nr. 106 S. 6) verlangten Grads, die andere Hälfte eine Frühform, die noch nicht die New-York-Kriterien erfüllt. 22% dieser 159 Patienten kamen für eine Anti-TNF-alpha-Therapie in Frage.

Sieben Forscher vom Campus Benjamin Franklin der Charité Berlin unter der Federführung von Dr. Henning

Bild 1: DVMB-Forschungspreisträger Dr. Martin
RUDWALEIT und Dr. Heiner APPEL vom Campus Benjamin Franklin der Charité
Berlin in einer Pause zwischen den Sitzungen

Bild 1: DVMB-Forschungspreisträger Dr. Martin RUDWALEIT und Dr. Heiner APPEL vom Campus Benjamin Franklin der Charité Berlin in einer Pause zwischen den Sitzungen

Christian BRANDT verglichen eine Patientengruppe mit etablierter Spondylitis ankylosans und eine Patientengruppe mit einer Spondyloarthritis-Frühform, bei der noch keine Veränderungen im Röntgenbild erkennbar waren. In beiden Gruppen betrug der HLA-B27-positive Anteil mehr als 80%. Auch im Anteil mit ebenfalls erkrankten Verwandten, im Anteil mit Beschwerden außerhalb der Wirbelsäule und in der Krankheitsaktivität (BASDAI) gab es keine wesentlichen Unterschiede. Nur die Entzündungs-Laborwerte, die Krankheitsdauer und der Grad der Behinderung (BASFI) lagen in der Gruppe mit etablierter Spondylitis ankylosans signifikant höher. Die Forscher schlossen daraus, dass es sich um unterschiedliche Stadien ein und derselben Krankheit handelt.

Anmerkung der Redaktion: Allerdings entwickelt sich die Krankheit nicht bei jedem Patienten, der die Symptome der Frühform aufweist, zu einem ausgeprägten Morbus Bechterew weiter. Es ist deshalb sorgfältig abzuwägen, ob ein Patient schon im Frühstadium eine Diagnose erhalten soll, die als Vorhersage eines ungünstigen Krankheitsverlaufs missverstanden werden und die Berufs- und Versicherungs-Chancen beeinträchtigen kann.

Vorhersage der Versteifungstendenz

Die Tendenz zu einer raschen knöchernen Versteifung der Wirbelsäule ist besonders groß, wenn schon in den ersten Krankheitsjahren ausgeprägte Veränderungen im Röntgenbild sichtbar sind. Professor Walter MAKSYMOWYCH von der Universität der Provinz Alberta in Edmonton, Kanada, und sieben weitere Forscher aus Belgien, Frankreich, Kanada und den Niederlanden fanden nun in der „Serum-Matrix-Metalloproteinase-3“ einen Laborwert, mit Hilfe dessen eine davon unabhängige Vorhersage der Verknöcherungstendenz bei der Spondylitis ankylosans möglich ist. 

Beurteilung des Krankheitsverlaufs

Dr. In-Ho SONG, Dr. Martin RUDWALEIT und Professor Joachim SIEPER vom Campus Benjamin Franklin der Charité Berlin stellten fest, dass bei Morbus-Bechterew-Patienten ohne periphere Gelenkbeteiligung ein „Mini-BASDAI“, bei dem die Fragen nach Schmerzen in peripheren Gelenken und nach Sehnenansatzentzündungen im BASDAI-Fragebogen für die Krankheitsaktivität (Bechterew-Brief Nr. 88 S. 17–21) ignoriert werden, besser mit der Einschätzung des allgemeinen Gesundheitszustands durch die Patienten korreliert als der vollständige BASDAI.

Anmerkung der Redaktion: Eigentlich ging es den Verfassern darum, die ASAS-Empfehlungen für den Einsatz von TNF-alpha-Blockern (MBJ Nr. 95 S. 19, Nr. 102 S. 8, Nr. 103 S. 24) so zu erweitern, dass Patienten mit extremen Wirbelsäulenschmerzen auch bei einem BASDAI von weniger als 4 mit TNF-alpha-Blockern behandelt werden können.

Bild 2: ASIF-Präsident Dr. Jon Erlendsson
aus Dänemark und ASIF-Vizepräsident Prof. Ernst Feldtkeller am
Stand der Ankylosing Spondylitis International Federation (ASIF) und der
Morbus-Bechterew-Vereinigung in Flandern (VVB).

Bild 2: ASIF-Präsident Dr. Jon Erlendsson aus Dänemark und ASIF-Vizepräsident Prof. Ernst Feldtkeller am Stand der Ankylosing Spondylitis International Federation (ASIF) und der Morbus-Bechterew-Vereinigung in Flandern (VVB).

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