Aus dem Morbus-Bechterew-Journal Nr. 108 (März 2007)

Entzündliche Darmerkrankungen bei Morbus Bechterew

von DVMB-Forschungspreisträger Dr. med. Martin Rudwaleit, Charité-Universitätsmedizin Berlin, und Dr. med. Dominique Baeten, Universität Amsterdam

Darmerkrankungen im Rahmen entzündlicher Wirbelsäulenerkrankungen

Die enge Beziehung zwischen Gelenkentzündungen und Darm ist schon länger bekannt. Wenn sich z. B. eine entsprechend veranlagte Person eine Darminfektion mit Shigellen, Salmonellen, Yersinien oder Campylobakter zuzieht, kann sich daraus innerhalb weniger Tage oder Wochen eine reaktive Arthritis (Gelenkentzündung) entwickeln. Lange Zeit wurde die reaktive Arthritis als gutartige Krankheit angesehen, weil sie in den meisten Fällen von selbst zurückgeht. Bis zu 20% der Patienten mit einer reaktiven Arthritis bekommen jedoch innerhalb von 10–20 Jahren eine Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew).
Die Spondylitis ankylosans kann aber nicht nur als Spätfolge einer reaktiven Arthritis auftreten, sondern auch im Zusammenhang mit einer Psoriasis (Schuppenflechte der Haut) oder einer entzündlichen Darmerkrankung (Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa , im englischen zusammengefasst als IBD = inflammatory bowel disease). Am häufigsten tritt die Spondylitis ankylosans jedoch ohne Verknüpfung mit einer solchen Krankheit auf und wird dann als „idiopathische“ oder „primäre“ Spondylitis ankylosans bezeichnet.
Unter allen Morbus-Bechterew-Patienten haben 5–10% eine entzündliche Darmerkrankung, die mit deutlichen Beschwerden verbunden ist (Bild 1, siehe auch Bechterew-Brief Nr. 67 S. 15). Wenn man jedoch mit einer Darmspiegelung nach subklinischen (noch keine Beschwerden bereitenden) Entzündungszeichen sucht, wird man bei 25–49% der Morbus-Bechterew-Patienten fündig. Kleinere Schäden findet man bei der mikroskopischen Untersuchung entnommener Schleimhautproben sogar bei 50–60% der Morbus-Bechterew-Patienten. Diese Entdeckung hat zu Spekulationen darüber geführt, dass die Krankheitsursache in einer gestörten Barriere zwischen Darminhalt und Blutsystem liegen könnte, welche die Wechselwirkung zwischen Bakterien und dem Immunsystem erleichtert.
Eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmwand wurde sowohl bei Morbus Bechterew als auch bei entzündlichen Darmerkrankungen gefunden. Das könnte zwar auch daran liegen, dass bei beiden Krankheiten NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) eingesetzt werden. Eine erhöhte Durchlässigkeit der Darmwand wird aber auch bei 10–60% der gesunden Verwandten von Patienten mit einer dieser Krankheiten gefunden, die keine NSAR verwenden, so dass dieser Einwand entfällt. Obwohl bei der Spondy-litis ankylosans eine Darminfektion als Auslöser nicht generell festgestellt wird, ist die Wechselwirkung zwischen Bakterien im Darm und T-Zellen (weißen Blutkörperchen, welche die Aufgabe haben, Infektionserreger zu bekämpfen) eine der diskutierten Hypothesen zur Krankheitsentstehung.
Betrachtet man umgekehrt alle Patienten mit einer entzündlichen Darmerkrankung, so fanden ORCHARD u.a. 1998 nur bei rund 1% von ihnen eine Sakroiliitis (Kreuzdarmbeingelenk-Entzündung) oder eine Spondylitis ankylosans (Tabelle 1). Andere Forscher fanden bei IBD-Patienten eine Spondylitis-ankylosans-Häufigkeit von 4–10% und eine Sakroiliitis-Häufigkeit von 10–23% (Bild 1).

Erblichkeit der Veranlagung

Zunächst zum Begriff „Fibromyalgie“: Eine wörtliche Übersetzung würde „Faser-Muskelschmerz“ lauten. Dies drückt aus, dass nicht die Gelenke, sondern Weichteilstrukturen betroffen sind. Vielfach wird daher auch die Fibromyalgie verallgemeinernd als Weichteilrheumatismus bezeichnet.
Die idiopathische Spondylitis ankylosans ist in 75–95% der Patienten mit dem Erbfaktor HLA-B27 verknüpft (Bechterew-Brief Nr. 66 S. 20-21, Nr. 75 S. 6-8, Nr. 77 S. 17-18, Nr. 85 S. 7-9, Nr. 91 S. 23–27, MBJ Nr. 100 S. 4–9). Obwohl die Rolle des HLA-B27 bei der Krankheitsentstehung weiterhin unbekannt ist, kann man davon ausgehen, dass dieses Molekül bei der Krankheitsentstehung eine wichtige Rolle spielt und wesentlich zur Erblichkeit der Veranlagung zur Krankheit beiträgt. 

Bild 1: Häufigkeit von entzündlichen
Darmerkrankungen bei der Spondylitis ankylosans und von entzündlichen
Wirbelsäulenerkrankungen bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Bild 1: Häufigkeit von entzündlichen Darmerkrankungen bei der Spondylitis ankylosans und von entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

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