Aus dem Morbus-Bechterew-Journal Nr. 111 (Dezember 2007)

Impfungen bei rheumatischen Erkrankungen

von Privatdozentin Dr. med. Andrea Rubbert-Roth, Universität Köln

Schutzimpfungen gehören zu den effektivsten und kostengünstigsten Maßnahmen in der Medizin. Sie reduzieren nicht nur das Infektionsrisiko der geimpften Person, sondern konnten auch weltweit dazu beitragen, dass Erkrankungen wie Pocken oder Polio (Kinderlähmung) heute als ausgerottet bzw. nahezu ausgerottet gelten. Leider haben die Erfolge der Impfungen wie auch die verbesserten Medikamente gegen Infektionen dazu geführt, dass Infektionserkrankungen in ihrer Gefährlichkeit häufig unterschätzt werden und sich in erschreckendem Ausmaß Impf-Lücken in der erwachsenen Bevölkerung zeigen.
In den letzten Jahrzehnten sind nach Berichten des Robert-Koch-Instituts weltweit mindestens 30 neue Infektionserreger bekannt geworden. Hinzu kommen zunehmende Resistenz-Entwicklungen (Widerstandsfähigkeit der Erreger gegen Medikamente) bei HIV, Malaria und Tuberkulose. Der Anstieg der Diphtherie-Erkrankungen in Russland sowie das Auftreten neuer Kinderlähmungsfälle in Albanien und Indien in den letzten 10 Jahren zeigt, dass bei fehlendem Impfschutz diese Erkrankungen jederzeit wiederkehren können.
Die Verhütung von Infektionskrankheiten, gegen die eine Impfung möglich ist, ist ein zentrales Anliegen der modernen Medizin. Eine besondere Herausforderung ist die Situation bei Patienten, die mit Immunsuppressiva (Medikamenten, die das Immunsystem dämpfen) behandelt werden. Dieses Problem stellt sich nicht nur in der Transplantationsmedizin (wo das Immunsystem zur Vermeidung von Abstoßungsreaktionen unterdrückt wird), sondern auch in der modernen Rheumatologie. Zum Beispiel stellt sich bei der Anwendung TNF-alpha-blockierender Medikamente die Frage, wie wirksam und sicher Impfungen bei diesen Patienten sind.

Grundlagen der Impfreaktion

Der klassische Impfschutz basiert vornehmlich auf Antikörpern, die gegen bestimmte Bestandteile von Viren oder Bakterien gerichtet sind und diese unschädlich machen bzw. ihre Entfernung erleichtern.
Bei der passiven Immunisierung werden Immunglobuline (eine Klasse von Antikörpern) gegen bestimmte Erreger bzw. gegen deren Gifte eingesetzt, so dass ein sofortiger Schutz entsteht, der allerdings nur kurzfristig anhält, in der Regel nicht länger als 3 Monate. Eine Passivimmunisierung wird dann eingesetzt, wenn ein rascher Schutz bei ungeimpften Personen erforderlich ist oder eine aktive Impfung nicht möglich ist.
Bei der aktiven Impfung werden entweder Erregerkomponenten oder abgetötete bzw. abgeschwächte Erreger verabreicht, die dann eine erregerspezifische körpereigene Abwehrreaktion hervorrufen. Damit entsteht ein immunologisches Gedächtnis, so dass bei erneutem Erregerkontakt eine rasche Abwehrreaktion in Gang kommt. Je nach Impfstoff erzeugt eine Aktivimpfung einen lebenslangen Impfschutz (wie bei Masern, Mumps, Röteln) oder der Schutz muss durch Auffrischungs-Impfungen regelmäßig aktiviert werden (z. B. gegen Tetanus, Diphtherie, Polio).
Zu beachten ist, dass bestimmte Impfstoffe zwar Erwachsene schützen, bei Kindern jedoch keine Impfreaktion erzeugen.

Unterschiedliche Klassen von Impfungen bei Erwachsenen

Auffrischungsimpfungen sind Impfungen im Erwachsenenalter, die regelmäßig aufgefrischt werden müssen bzw. bei fehlender Grundimmunisierung nachgeholt werden sollten (z. B. Tetanus, Diphtherie, Polio).

Indikationsimpfungen werden bei einem erhöhten beruflichen oder gesundheitlichen Risiko gegeben oder empfohlen. Dazu gehören die Impfungen gegen Influenza (Grippe) und Pneumokokken (Erreger von Lungenentzündung und weiteren Krankheiten), Hepatitis (Gelbsucht) A und B, FSME (durch Zecken übertragene Gehirnhautentzündung), Meningokokken (ebenfalls Erreger einer Hirnhautentzündung), Tollwut, Pertussis (Keuchhusten) und Varizellen (Windpocken) sowie Masern, Mumps und Röteln.

Zu den Reiseimpfungen zählen Impfungen gegen Hepatitis A und B, Tollwut, Typhus, Meningokokken und Gelbfieber.

Notwendigkeit der Infektionsvorbeugung bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen

Patienten mit einer chronisch-entzündlichen Erkrankung haben im Vergleich zur Normalbevölkerung ein erhöhtes Infektionsrisiko (laut DVMB-Befragung auch Patienten mit Morbus Bechterew, MBJ Nr. 105 S.6–9). Dies ist einerseits durch die Anwendung von Corticosteroiden und Immunsuppressiva bedingt, andererseits durch krankheitsspezifische Störungen der Immunregulation im Rahmen der Grunderkrankung. Insbesondere kann eine für die rheumatische Erkrankung erforderliche Therapie eine schwere Immunsuppression bewirken (vergleichbar der Immunsituation bei HIV-infizierten Personen). Klassische DMARDs (langsam wirkende Antirheumatika) wie Methotrexat oder Leflunomid hemmen die Erzeugung und Aktivierung von Lymphozyten (weißen Blutkörperchen) und erhöhen damit das Infektionsrisiko (auf das mit einer Anti-TNF-alpha-Therapie verbundene erhöhte Infektionsrisiko (MBJ Nr. 99 S. 19–21) wird in einem eigenen Kapitel noch separat eingegangen).

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