Aus dem Morbus-Bechterew-Journal Nr. 111 (Dezember 2007)

Herz-Kreislauf-Risiken entzündungs-hemmender Medikamente

von Privatdozentin Dr. Ina Kötter, Rheumatologin an der Universität Tübingen

Das kardiovaskuläre (auf das Herz und die Herzkranzgefäße bezogene) Risiko der Medikamente, die im Gegensatz zu den herkömmlichen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) selektiv das Enzym Cyclo-Oxygenase-2 (abgekürzt COX-2) hemmen, wurde in dieser Zeitschrift schon mehrfach besprochen (Bechterew-Brief Nr. 93 S. 25, MBJ Nr. 94 S. 12–13, Nr. 96 S. 12–13, Nr. 98 S. 15–16). Besonderes Aufsehen erregte vor einiger Zeit die Rücknahme des COX-2-Hemmers Rofecoxib (Handelsname Vioxx) vom Markt. Im folgenden wird der derzeitige Stand des Wissens dargestellt, wie er 2006 in mehreren rheumatologischen Zeitschriften-Beiträgen zusammengefasst wurde.

Herz-Kreislauf-Risiken bei Naproxen am geringsten

P. M. KEAMY und weitere Autoren veröffentlichten im British Medical Journal eine Internet-Recherche und eine Analyse der Aufzeichnungen der Pharmaindustrie und der amerikanischen Gesundheitsbehörde. Ausgewertet wurden 138 randomisierte Studien (bei denen die Patienten per Zufall auf unterschiedlich behandelte Gruppen verteilt und die Ergebnisse verglichen werden). Die Studien umfassten insgesamt 145.373 Teilnehmer und eine mindestens vierwöchige Behandlungsphase, in denen zumindest ein COX-2-Hemmer („Coxib“) mit Placebo (einem Scheinmedikament) oder einem NSAR verglichen wurde. Gesucht wurde gezielt nach schweren Gefäßereignissen, Herzinfarkten, Schlaganfällen und gefäßbedingten Todesfällen.
Ergebnisse: 1,2 Ereignissen pro 100 Patientenjahre bei der Behandlung mit einem COX-2-Hemmer standen 0,9 Ereignissen pro 100 Patientenjahre in den Placebogruppen gegenüber. Ein Unterschied zwischen verschiedenen COX-2-Hemmern (Rofecoxib, Celecoxib, Etoricoxib, Lumiracoxib, Valdecoxib) konnte nicht nachgewiesen werden. Allerdings war das Datenmaterial auch nicht dazu geeignet, feinere Unterschiede aufzuzeigen.
Besonders ausgeprägt war das erhöhte Risiko bei den Herzinfarkten (doppelt so häufig wie unter Placebo), während Schlaganfälle und gefäßbedingte Todesfälle nicht häufiger waren als unter Placebo.
Zwei Drittel der gefäßbedingten Ereignisse traten in Langzeitstudien auf. Auch hier ergaben sich keine Unterschiede zwischen den einzelnen Präparaten.
Beim Vergleich mit herkömmlichen NSAR fand sich kein Unterschied in der Häufigkeit gefäßbedingter Ereignisse (1 Ereignis pro 100 Patientenjahre bei COX-2-Hemmern gegenüber 0,9 Ereignissen pro 100 Patientenjahre bei traditionellen NSAR). Hier zeigten sich allerdings deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen NSAR: Bei Naproxen (dessen Wirkung der Acetylsalicylsäure besonders ähnlich sein soll) waren die gefäßbedingten Ereignisse im Vergleich zu allen COX-2-Hemmern signifikant seltener (bei COX-2-Hemmern 1,5- bis 2-fach häufiger als bei Naproxen). Das Gleiche traf auch auf Herzinfarkte zu (bei COX-2-Hemmern 2-fach häufiger als bei Naproxen). Für Schlaganfälle und gefäßbedingte Todesfälle zeigte sich kein Unterschied.
Zwischen COX-2-Hemmern und anderen herkömmlichen NSAR fanden sich keinerlei Unterschiede bezüglich gefäßbedingter Ereignisse, Herzinfarkten oder gefäßbedingter Todesfälle. Der Einsatz von COX-2-Hemmern war aber mit einer signifikant geringeren Rate von Schlaganfällen verknüpft im Vergleich zu allen herkömmlichen NSAR außer Naproxen.
Kommentar: Die Ergebnisse dieser zusammenfassenden Analyse vieler Studien weisen darauf hin, dass hoch dosiertes Ibuprofen (3x800 mg, Handelsnamen z.B. Brufen, Imbun) und Diclofenac (2x15 mg, Voltaren) ebenfalls mit einem erhöhten Risiko von Herz-Kreislauf-Ereignissen verknüpft sind und dass dieses Risiko bei Naproxen (2x500 mg, Handelsnamen z.B. Proxen, Arpranax, Naprosyn) erheblich geringer ist.

Studie mit 74.838 Patienten

D. H. SOLOMON, J. AVORN, T. STÜRMER und weitere Wissenschaftler veröffentlichten in der Zeitschrift Arthritis and Rheumatism die Ergebnisse einer großen Studie, bei der 74.838 Patienten auf ein herkömmliches NSAR (Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen oder ein anderes NSAR) oder einen COX-2-Hemmer (Celecoxib, Rofecoxib, Valdecoxib) neu eingestellt wurden. Als Vergleich dienten 23.532 Patienten, die mit einem anderen Medikament neu begannen.
Ergebnisse: Herzinfarkte waren in der Rofecoxib-Gruppe signifikant häufiger und in der Naproxen-Gruppe signifikant seltener als in der Normalbevölkerung. Keines der anderen Coxibe oder konventionellen NSAR war in dieser Altersgruppe mit einer signifikanten Veränderung der Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Ereignissen verknüpft.
S. SCHNEEWEISS, D. H. SOLOMON, P. S. WANG und weitere Wissenschaftler veröffentlichten ebenfalls in Arthritis and Rheumatism die Ergebnisse einer Studie, bei der 49.711 Patienten im Alter von mindestens 65 Jahren neu mit Celecoxib, Rofecoxib oder einem herkömmlichen NSAR begannen.
Ergebnisse: Verglichen mit herkömmlichen NSAR reduzierte Celecoxib das Risiko von Magen-Darm-Komplikationen um 1,4 pro 100 Nutzer, steigerte aber das Herzinfarkt-Risiko um 0,3 pro 100 Nutzer. Rofecoxib senkte das Magen-Darm-Risiko um 1,1 pro 100 Nutzer und steigerte das Herzinfarktrisiko ebenfalls um 0,3 pro 100 Nutzer.
Gegenüber Celecoxib steigerten Rofecoxib und Diclofenac das Herzinfarktrisiko. Naproxen steigerte das Risiko am wenigsten von allen NSAR. Bezüglich der Magen-Darm-Komplikationen gab es keine

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