Aus dem Morbus-Bechterew-Journal Nr. 113 (Juni 2008)

Wann ist eine Operation an der Wirbelsäule sofort notwendig?

von Dr. med. Lothar Wiesner, Dr. med. Jörn Steinhagen, Dr. med. Nils Hansen-Algenstaedt und Prof. Dr. med. Wolfgang Rüther, Orthopädische Klinik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Einleitung

Zur Beurteilung einer krankhaften Situation an der Wirbelsäule in Hinsicht auf eine sofort notwendige Operation sind drei Grundsatzfragen in folgender Reihenfolge zu beantworten:

Aus der Antwort auf diese Fragen lässt sich ableiten, wie dringend eine Operation ist. Dies soll hier an charakteristischen Beispielen erläutert werden.

Wirbelfrakturen bei Spondylitis ankylosans

Charakteristisch für einen fortgeschrittenen Morbus Bechterew ist die Ausbildung einer knöchern versteiften Wirbelsäulen-Kyphose (Krümmung nach vorn) mit dem Bild einer Bambusstab-Wirbelsäule. Dies bedeutet für sich gesehen jedoch keine Notwendigkeit einer sofortigen Operation.
Immens wichtig sind bei Morbus-Bechterew-Patienten die Diagnose und die adäquate Beurteilung von Wirbelsäulenfrakturen (Bechterew-Brief Nr. 58 S. 3–10, MBJ Nr. 100 S. 12–13 und S. 15–20). Bei Morbus-Bechterew-Patienten werden Frakturen häufig übersehen (Bechterew-Brief Nr. 93 S. 7–11, MBJ Nr. 105 S. 19–20, Nr. 108 S. 20). Dies hat vor allem zwei Gründe:

  1. Das eigentliche Unfallereignis wird als zu banal eingestuft und die anfänglichen Beschwerden werden nicht entsprechend gewürdigt.
  2. Die besonders frakturempfindlichen Bereiche (Übergang von der Hals- zur Brustwirbelsäule und Übergang von der Brust- zur Lendenwirbelsäu-le) sind im Röntgenbild gerade bei gleichzeitigem Vorhandensein einer Wirbelsäulenkyphose durch andere Knochenstrukturen überlagert und deshalb schlecht einsehbar.

Des Weiteren gehorcht die Stabilität einer Fraktur bei Morbus-Bechterew-Patienten nicht allgemeingültigen Grundsätzen der Stabilitätsbeurteilung bei Wirbelsäulenfrakturen. Nicht selten führen anfänglich als stabil erachtete Wirbelsäulenfrakturen bei Spondylitis-ankylosans-Patienten zu Nervenausfall­Erscheinungen, die sich bei weiterer Kontrolle als Folge eines Versatzes von Wirbelkörperteilen herausstellen.
Dies bedeutet, dass derartige Wirbelsäulenfrakturen sofort operativ stabilisiert werden müssen, zumal dies heute mit minimalinvasiven (Schlüsselloch-) Operationstechniken ohne große Operationswunde durchgeführt werden kann. Auf Grund der Verknöcherungstendenz bei Morbus-Bechterew-Patienten kommt es nach der operativen Stabilisierung schnell zu einer Frakturausheilung.

Im Bild 1a und 1b sind computertomographische Schnittbilder der Brustwirbelsäule eines Morbus-Bechterew-Patienten zu sehen, der 4 Wochen lang über anhaltende Rückenschmerzen klagte. Die zunächst angefertigten Röntgenaufnahmen wurden als unauffällig beurteilt. Erst der nach 4 Wochen aufgetretene Wirbelkörperversatz (Bild 1a) offenbarte die hochgradig instabile Wirbelfraktur. Nervenstrukturen ...

Bild 1: a) Im Computertomogramm sichtbarer seitlicher Versatz der Wirbelsäule infolge einer Fraktur bei Morbus Bechterew. b) Das seitliche Computertomogramm zeigt die Ausdehnung der Fraktur (Pfeile) bis zum Wirbelbogen (rechter Pfeil). c) Seitliche und d) frontale Röntgenaufnahme nach der operativen Stabilisierung durch mit den Wirbelkörpern verschraubte Metallstäbe.

Bild 1:
a) Im Computertomogramm sichtbarer seitlicher Versatz der Wirbelsäule infolge einer Fraktur bei Morbus Bechterew.
b) Das seitliche Computertomogramm zeigt die Ausdehnung der Fraktur (Pfeile) bis zum Wirbelbogen (rechter Pfeil).
c) Seitliche und d) frontale Röntgenaufnahme nach der operativen Stabilisierung durch mit den Wirbelkörpern verschraubte Metallstäbe.

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