Aus dem Morbus-Bechterew-Journal Nr. 114 (September 2008)

Evidenz der Zweckmäßigkeit verschiedener Therapieformen bei Morbus Bechterew

von Prof. Dr. med. Edward Senn, Facharzt für Physikalische Medizin, München und Luzern und Prof. Dr. med. Uwe Lange, Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim

In den ASAS/EULAR-Empfehlungen für die Behandlung der Spondylitis ankylosans (MBJ Nr. 103 S. 24 und Nr. 113 S. 36–37) steht die medikamentöse Therapie im Vordergrund, denn nur diese gilt auf Grund großer Doppelblindstudien als „evidenz-basiert“. Auch der „Medizinische Dienst der Krankenkassen – Spitzenverband“ (MDS) weigert sich, die Not-wendigkeit einer (ambulanten) Patientenschulung bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen anzuerkennen, da diese nicht „evidenz-basiert“ sei.
Wir fragten Prof. Dr. Edward SENN, bis 1996 Inhaber des Lehrstuhls für Physikalische Medizin an der Universität München, und Prof. Dr. Uwe LANGE, Abteilung Rheumatologie, klinische Immunologie, physikalische Medizin und Osteologie der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim, wie es mit der Evidenz (Offenkundigkeit) der Zweckmäßigkeit der Patientenschulung, der Unterweisung im krankheitsgemäßen Patientenverhalten und von physikalischen Therapieverfahren beim Morbus Bechterew steht.

Einleitung

Es besteht Übereinkunft darüber, dass sich die Medizin auf Therapieverfahren konzentrieren soll, deren Zweckmäßigkeit (Wirksamkeit und relative Unschädlichkeit) evident (offen-sichtlich) ist. Dabei sollte man unterscheiden zwischen

Die Notwendigkeit randomisierter (zufallskontrollierter) Studien als Zweckmäßigkeitsnachweis kann also nicht verallgemeinert werden, als ob die Evidenz generell nur auf randomisierten Studien beruhen könnte. Die folgenden regelmäßig zu beachtenden bzw. durchzuführenden Maßnahmen bedürfen keiner statistischen (in Erfolgsraten ausgedrückten) Begründung mittels (gar nicht möglicher und ethisch nicht zulässiger) Doppelblindversuche, weil ihre Zweckmäßigkeit schon ohne solche Studien evident ist.

Maßnahme 1: Ausführliche Unterweisung des Patienten anlässlich der Diagnosestellung und darüber hinausgehende Patientenschulung (z.B. nach dem Modell der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie) im Krankheitsverlauf.
Begründung: Nur mit einer solchen Unterweisung und Schulung kann der Patient sein Verhalten und seine Wohn- und Arbeitsumwelt so einrichten, dass er den Krankheitsverlauf günstig beeinflusst.

Maßnahme 2: Schlafen in Rückenlage auf ebener fester (nicht unbedingt „harter“) Matratze mit so wenig Kopfkissen, dass das Gesicht gerade noch horizontal liegt.
Begründung: Ein Drittel seines Lebens (7 bis 8 Stunden pro Tag) schläft der Patient im Bett. Das Liegen in einer Kuhle oder auf großem Kopfkissen, das unter die Schultern reicht, leistet der Kyphose (Rundrücken) Vorschub.

Maßnahme 3: Aufrechtes Sitzen auf ebener fester Sitzfläche.
Begründung: Beim Sitzen auf weicher nach hinten geneigter Sitzfläche kippt das Becken und das Kreuzbein nach hinten (Rundrücken) und der Patient wundert sich, dass er beim Aufstehen einen schmerzhaften Widerstand (Kreuzschmerzen) überwinden muss.

Maßnahme 4: Arbeit möglichst in wechselnder Position (sitzen, stehen, gehen) und vor allem nicht in gebückter Haltung.
Begründung: Das lange Verharren in ungünstiger Position ermüdet die für die echte Haltung primär verantwortlichen Muskeln und verkürzt ihre Gegenspieler.

Maßnahme 5: Regelmäßige (4–5 mal pro Woche, besser täglich) sportliche (die Bewegungsaktivität muss Freude bereiten) Ausdauer-Aktivitäten (Stärkung der Fitness) in bewusst aufgerichteter Haltung.
Begründung: Jedes Training wird durch eine positive Strukturanpassung beantwortet: Für die Muskeln Anpassung ihrer Längen, Kraft, Ausdauer, Koordination und Flexibilität, für die bindegewebigen Strukturen (Bänder, Kapseln, Sehnen, Knorpel) Anpassung ihrer Festigkeit, Belastbarkeit und Schmerzfreiheit.
 

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