Aus dem Morbus-Bechterew-Journal Nr. 116 (März 2009)

Morbus Bechterew: gute Zeiten – schlechte Zeiten

von Prof. Dr. phil. Anne Marit Mengshoel, Universität Oslo, Norwegen

Einleitung

Beim Morbus Bechterew ist keine sichere Vorhersage möglich. Beschwerdearme Zeiten wechseln mit Schüben ab, die gekennzeichnet sind durch überwältigende Müdigkeit, zur Untätigkeit verdammende Schmerzen und lähmende Unbeweglichkeit. Auch Schwankungen von einem Tag zum anderen kommen vor. Ich wollte wissen, wie sich diese Unterschiede im Alltagsleben auswirken, wie Morbus-Bechterew-Patienten damit umgehen, und unterhielt mich mit 12 Morbus-Bechterew-Patienten. Von Menschen mit anderen chronischen Krankheiten wusste ich, dass eine Krankheit den Lebenslauf eines Menschen unterbrechen kann, das Alltagsleben zuhause, bei der Arbeit und in der Freizeit und die Pläne für die Zukunft. Ich wusste, dass eine chronische Krankheit aber auch positive Seiten haben kann: sie kann einem helfen, zu einem neuen bewussteren Leben zu finden, neue Gelegenheiten zu entdecken, sich weiterzuentwickeln und mehr Kontrolle über das Alltagsleben zu gewinnen. Einer der Morbus-Bechterew-Patienten half mir besonders, die Komplexität des Lebens mit Morbus Bechterew zu verstehen, indem er mir sagte: „Das Leben mit Morbus Bechterew ist wie das einer Spinne im Netz: Man kann es nicht verlassen, aber es gibt viele Wege, das Beste daraus zu machen. Es ist wichtig, den richtigen Weg zu finden. Viele Wege führen nach Rom, aber ich muss den Weg finden, der für mich geeignet ist. Man muss das Gleichgewicht halten, damit die Fäden nicht reißen, sonst müssen sie wieder verknüpft werden, das Netz wird enger und es gibt weniger Wege. Es ist wie die Balance auf eines Messers Schneide.“ Aus den Interviews ergaben sich drei unterschiedliche Situationen:

  1. ein normales Leben weiterführen zu können,
  2. das Tempo vorübergehend zurücknehmen zu müssen,
  3. ein Bruch des normalen Lebens.

Weiterhin ein normales Leben führen

In der ersten dieser Situationen gelang es den Patienten, Methoden zur Symptombekämpfung ins Alltagsleben zu übernehmen, indem sie viel Bewegung zur Gewohnheit machten. Eine körperliche Unbehaglichkeit war zwar immer gegenwärtig, wurde aber die meiste Zeit kaum wahrgenommen. Die Steifigkeit nahm zu, wenn sich die Patienten einige Zeit nicht bewegten. „Ich merke immer, dass ich nicht längere Zeit stillsitzen darf. Ich fahre nicht gerne Auto, weil ich nach etwa einer halben Stunde steif werde. Das stört mich am meisten.“ Bewegung ist der Schlüssel, um Steifheit zu vermeiden oder wieder loszuwerden. Die Patienten wachen nachts auf und bewegen sich im Bett oder gehen herum. Sie integrieren Bewegung auch in ihre täglichen Gewohnheiten zuhause und bei der Arbeit, z.B. indem sie bei Sitzungen Kaffee ausschenken oder Kopien und Computerausdrucke verteilen. Auch die Arbeitsumgebung passen sie entsprechend an, um sich notwendigerweise zu bewegen: „Es ist wichtig, den Kopierer an einer anderen Stelle zu haben als die Umschläge und so immer in Bewegung zu sein.“ Eine andere wichtige Strategie besteht darin, Überanstrengung zu vermeiden, um die Beschwerden nicht zu verschlimmern. Das betrifft hauptsächlich Aufgaben, die den Rücken, den Nacken oder die Schultern belasten, z.B. bücken, tragen oder schwere Gegenstände anheben. Das betrifft aber auch die Dauer der Anstrengung. Ein Patient beschrieb z.B., wie „der Körper sich rächte“ nach einem durchtanzten Abend. Die Patienten gaben auch Beispiele dafür, wie sie die Belastungen anpassten: „Ich vermeide das Sitzen in tiefen Sesseln und benutze auf harten Stühlen ein Kissen. Außerdem trage ich keine Schuhe mit hohen Absätzen mehr, sondern orthopädische Schuhe oder gute Schuhe mit weichen Sohlen.“ Solche Anpassungen wurden ein natürlicher Teil ihres Alltagslebens. Zum Beispiel beschrieb ein Patient, wie überraschend schwierig alles wurde, als die Familie in eine andere Wohnung umzog. Erst dadurch merkten sie, dass sie in den vergangenen Jahren vieles angepasst hatten. Auch in der Ernährung hatten die Patienten einiges geändert: Sie ergänzten die Nahrung mit Vitaminen und Lebertran, aßen mehr Gemüse und Früchte und hatten festgestellt, dass manche Lebensmittel oder Getränke ihre Steifheit verschlimmerten: „Wenn ich Schweinefleisch esse, bekomme ich auf einmal eine Art Steifigkeit um die Brust und fühle es auch in den Händen. Nach einem Glas Rotwein – ich habe Alkohol nicht vollständig aufgegeben – fühle ich meine Hände und Knie auf einmal steif werden. Lieber esse ich Fisch und Gemüse und derlei.“ Die Patienten betonten, dass sie so lange wie möglich ein normales Leben führen möchten, und die Berufstätigkeit war für sie ein wichtiger Aspekt. Sie möchten ebenbürtig zum Arbeitserfolg beitragen und ihren Kollegen nicht zur Last fallen. Einige der Interviewten hatten den Beruf gewechselt oder planten eine Weiterbildung, um zu anstrengende Tätigkeiten aufgeben zu können, oder zu lange Arbeitszeiten zu vermeiden oder Tätigkeiten, die ihrem Bedürfnis nach Bewegung nicht angepasst werden konnten: „Man kann vieles anpassen oder Umorganisieren. Ich wurde zum Experten für Umorganisationen und habe meine eigene Tätigkeit umorganisiert, ohne das an die große Glocke zu hängen.“ Geeignete Arbeitsumgebungen wurden auf viele verschiedene Weise geschaffen, oft ohne dass das andere Leute merkten: „Ich leite jetzt ein Geschäft, in dem Kleidung, Schuhe und Taschen verkauft werden. Es ist ein schöner Beruf, aber eigentlich nicht das, was ich vorhatte. Als ich das Studium abgeschlossen hatte und eine Stelle annahm, bei der ich schwer arbeitete, wie bei jungen Akademikern üblich, musste ich mich 3 Monate lang krankschreiben lassen. Ich hatte Entzündungen im Hüftgelenk, im Rücken und überall. Da dachte ich mir, so geht das nicht weiter, ich muss etwas anderes tun. Seither fiel ich nie wegen Morbus Bechterew aus. Bei meiner jetzigen Arbeit gibt es zwar auch eine Menge Bürotätigkeit, aber ich bewege mich den ganzen Tag, räume das Lager auf und so.“

Karrikatur

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