Aus dem Morbus-Bechterew-Journal Nr. 117 (Juni 2009)

Anti-TNF-alpha-Therapie und Schwangerschaft

von Prof. Dr. med. Hubert Nüßlein, Nürnberg

Storch mit KindTNF-Blocker sind seit über einem Jahrzehnt zugelassen. Studien, die eindeutige Aussagen über deren Sicherheit bei Schwangerschaften zulassen, gibt es nicht. Allerdings existieren Fallsammlungen, vor allem bei Patientinnen mit rheumatoider Arthritis (RA, chronische Polyarthritis) und mit Morbus Crohn (einer entzündlichen Darmkrankheit), aber auch gemischten Krankheitskollektiven. Erhebungen, die nur Patienten mit ankylosierender Spondylitis (Morbus Bechterew) erfassen (bei denen zusätzliche Basistherapien in der Regel nicht berücksichtigt werden müssen), liegen nicht vor. Eine Datensammlung über Patientinnen mit Morbus Crohn wurde bereits 2004 publiziert (J.A. Katz u.a.: Am J Gastroenterol 2004;99:2385). Es wurden 146 Schwangerschaften unter Anti-TNF-alpha-Therapie bei 133 Patientinnen erfasst und mit der Häufigkeit von Fehlgeburten und Schwangerschaftsabbrüchen in der Normalbevölkerung verglichen, ohne Hinweis für ein besonderes Risiko. (Quelle: Morbus Bechterew – ein Leitfaden für Patienten. Heft 1 der DVMB-Schriftenreihe, 5. Auflage 2002 - 2005 wurde eine Umfrage unter 3000 amerikanischen und kanadischen Rheumatologen durchgeführt, bei der 467 Schwangerschaften gemeldet wurden. 31 % nahmen dabei das Medikament während der Schwangerschaft weiter. Auch hier ergab sich kein Hinweis auf eine besondere Gefährdung für Mutter oder Kind (C. Orozco u.a.: Arthritis Rheum 2005;55 suppl, Abstr. F12). Der amerikanische Rheumatologe J. D. CARTER beobachtete unter Anti-TNF-alpha-Therapie einen Fall einer seltenen schwerwiegenden kombinierten Missbildung (VACTERL-Syndrom), die in leichterer bis schwerer Ausprägung statistisch nur bei jeder 200. bis 300. Geburt auftritt. Seine Anfrage bei der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA ergab, dass dort spontan (bis 2007) 41 Missbildungen unter Anti-TNF-alpha-Therapie gemeldet worden waren, worin ein weiterer Fall eines VACTERL-Syndroms und 23 Fälle mit einfacheren Missbildungen des VACTERL-Spektrums enthalten waren (J.D. Carter u.a.: Arthritis Rheum 2007, 57 suppl Abstract CRC20). Da es sich aber um spontane Meldungen handelt bei mittlerweile millionenfacher Anwendung von TNF-Blockern mit einer unbekannten Zahl von Schwangerschaften, ist völlig offen, ob die VACTERL-Missbildungen oder Missbildungen insgesamt unter einer Anti-TNF-alpha-Therapie vermehrt auftreten oder nicht. Viele der mit TNF-Hemmern behandelten Patienten werden in großen nationalen Registern wie dem deutschen RABBIT-Register (Rheumatoide Arthritis: Beobachtung der Biologika-Therapie) prospektiv (vorausschauend) beobachtet. Aus dem Register der Britischen Gesellschaft für Rheumatologie wurde nun Ende letzten Jahres berichtet, dass möglicherweise eine erhöhte Rate von Aborten (Fehlgeburten oder Schwangerschaftsabbrüchen) unter Anti-TNF-alpha-Therapie vorliegt (Y.E. King u.a.: Arthritis Rheum 2008: 58,suppl Abstr. 1011). Allerdings wurde ein Großteil der RA-Patientinnen gleichzeitig mit Methotrexat behandelt, für das ein erhöhtes Fehlbildungs-Risiko bekannt ist. Von anderen Datenbanken gibt es solche Hinweise bislang nicht. Zusammenfassend lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt keine fundierte Einschätzung des Risikos einer Schwangerschaft unter Anti-TNF-alpha-Therapie geben. Aus diesem Grunde gilt es, die empfohlenen Richtlinien einzuhalten: sichere Empfängnisverhütung während der Therapie und bei Kinderwunsch Absetzen des Medikaments. Die empfohlenen Karenzfristen zwischen Absetzen und Empfängnis differieren je nach Medikament von 6 Monaten (Remicade) über 5 Monate (Humira) bis zu keiner expliziten Zeitempfehlung (Enbrel), wobei es sich trotz verschiedener Halbwertszeiten um willkürliche, nicht durch Studien belegte Festlegungen handelt.

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