Aus dem Morbus-Bechterew-Journal Nr. 118 (September 2009)

Vorsicht Wirbelfalle!

Aus der Redaktion des Morbus-Bechterew-Journal

Fast sieht es so aus, als hätten sich die Mitglieder der Morbus-Bechterew-Journal-Redaktion zu einem Ringversuch verabredet: Jeder fehlt einmal bei der Redaktionssitzung – mal sehen, was die anderen für ein Heft zusammenstellen. Bei der Sitzung für das Dezember-Heft 2008 gab es Probleme mit der Anreise von Frau Dr. LIND-ALBRECHT, bei der Sitzung für das März-Heft lag Dr. PFEIFFER wegen einer Operation im Krankenhaus und von der Sitzung für das Juni-Heft hatte sich Ludwig HAMMEl schon lange vorher wegen seiner Aufrichtungsoperation abgemeldet. Nur für Professor FELDTKELLER stand nichts derartiges an – dachten wir mindestens, doch es kam anders. Wer hier beim Herabsteigen am Geländer entlang geht und wegen seiner steifen Wirbelsäule nicht direkt vor die Füße schauen kann, findet auf der zweituntersten Stufe keinen Halt. Seit 17 Jahren trifft sich Professor Feldtkeller jeden Dienstagabend mit Freunden zum Musizieren, abwechselnd bei ihm zuhause und bei einem Gambenspieler, der vor kurzem in eine Wohnung im 1. Stock eines Mehrfamilienhauses in Garching umgezogen ist. Wer den Senior der MBJ-Redaktion kennt, weiß, dass der 77-Jährige Aufzüge nur mit schwerem Gepäck benutzt. Ansonsten trainiert er Kreislauf und Beweglichkeit nicht nur beim Wandern, sondern auch durch Treppensteigen, zur Sicherheit immer mit einer Hand am Geländer. Mit 2 Titan-Stangen und 10 Schrauben hat Dr. Böhm die fünf Wirbel vom 5. Halswirbel bis zum 2. Brustwirbel verbunden und so die Fraktur im 7. Halswirbel stabilisiert. So war es auch Ende Mai beim 2. Musizierabend in Garching. Als er die Wohnung im 1. Stock verließ, dachte er nicht an die Sparsamkeit des Architekten, der nur an der Kurven-Innenseite der Treppe ein Geländer angebracht hatte, dort aber die Stufen so schmal bemessen hatte, wie es gerade noch erlaubt ist, wohl um mehr Quadratmeter als Wohnfläche verkaufen zu können. An der steilen Treppenecke kam der ziemlich gerade versteifte Bechterewler, der sich darauf verließ, dass die Treppe wie jede andere Treppe auch am Geländer begehbar ist, ins Schlittern, fing den Sturz im Erdgeschoss mit Knien und Händen auf, stieß aber mit dem Kopf an die gegenüberliegende Wand und musste sich mit einem Wirbelbruch ins Krankenhaus fahren lassen. Magnetresonanzaufnahmen zeigten nach 4 Wochen Bettlägerigkeit, dass der Wirbelbruch nicht stabil ist und eine Stabilisierungsoperation durch unseren Ärztlichen Berater Dr. Heinrich BÖHM in Bad Berka notwendig wurde. Die Röntgenaufnahme unten zeigt die 10 Schrauben und zwei Titanstangen mit denen der Bruch im 7. Halswirbel stabilisiert wurde. Für das September-Heft hatte er zum Glück ausreichend vorgearbeitet. Bis Sie dieses Heft in Händen halten, wird Prof. Feldtkeller hoffentlich wieder so fit sein, dass er den Rückstand aufholen und das Dezember-Heft vorbereiten kann. Offensichtlich gibt es also auch im Baugewerbe schwarze Schafe, die weniger um der Sicherheit ihrer Kunden und deren Gäste besorgt sind als vielmehr um den höchstmöglichen eigenen Gewinn.

Stellungnahme eines von uns befragten Treppenbauers:

Wer hier beim Herabsteigen am Geländer entlang geht und wegen seiner steifen Wirbelsäule nicht direkt vor die Füße schauen kann, findet auf der zweituntersten Stufe keinen Halt.

An der abgebildeten Betontreppe sei aus Sicht eines Treppenherstellers keine formale Kritik anzubringen, soweit es um die Einhaltung der Bauordnungs-Regeln gehe. In allen Landesbauordnungen sei ein einseitiges Geländer ausreichend, ein zusätzlicher Handlauf an der Wandseite sei nicht vorgeschrieben. Auch die Mindest-Auftritt-Tiefe der Stufen an der Innenseite der Treppe sei offenbar eingehalten: bei einer 1 m breiten Treppe müsse der Mindestauftritt etwa 10 cm von der Innenkante mindestens 10 cm betragen. Es gebe keine gewendelte Treppe, die direkt am Geländer normal begehbar wäre. Etwas ungeschickt, aber nicht verboten, sei die Position des Pfostens, der nicht in der Wendelung, sondern im sog. Treppenauge angebracht ist. Dadurch sei er für das Abwärtsgehen weniger hilfreich, da er etwas weiter von der Lauflinie in Treppenmitte entfernt sei. In dieser Treppe wurden aus seiner Sicht keine erkennbaren Fehler eingebaut, die Abstürze provozieren, der Unfall könne damit eher dem Prinzip der gewendelten Treppen allgemein angelastet werden, weil sie schwieriger zu begehen sind. Bei der Treppenauslegung und Normierung werden Menschen mit Behinderung nicht berücksichtigt, sofern es nicht um öffentliche Gebäude geht. Die Grenze des Erlaubten ist erlaubt.

Schlussfolgerung

Nachdem in Mehrfamilienhäusern als „nichtöffentlichen Gebäuden“ keine Rücksicht auf Behinderte genommen werden muss, müssen Sie sich also dort umso mehr in Acht nehmen, damit Ihnen nicht ähnliches passiert. Seien Sie auf Treppen, die nur an der Ecken-Innenseite ein Geländer haben, ganz besonders vorsichtig. Der Treppenbauer könnte ja auch dort bis an die Grenze des Erlaubten gegangen sein und für versteifte Morbus-Bechterew-Patienten eine „Wirbel-Falle“ eingebaut haben.

Mit 2 Titan-Stangen und 10 Schrauben hat Dr. Böhm die fünf Wirbel vom 5. Halswirbel bis zum 2. Brustwirbel ver¬bunden und so die Fraktur im 7. Halswirbel stabilisiert