Aus dem Morbus-Bechterew-Journal Nr. 96 (März 2004)

Traditionelle Chinesische Medizin bei Morbus Bechterew

von Beate Bachus, Klinik am Steigerwald bei Gerolzhofen, Unterfranken

Die Klinik am Steigerwald, etwa 25 km südlich von Schweinfurt gelegen, mit einem ambulanten und einem stationären Bereich, behandelt seit dem Jahre 1996 Patienten mit rheumatischen Erkrankungen hauptsächlich mit chinesischen Methoden, ergänzt durch westliche Naturheilverfahren.
Erste Erfahrungen in der Behandlung von Menschen mit Morbus Bechterew mit der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM, siehe Bechterew-Brief Nr. 75 S. 22–25 und Nr. 80 S. 19–20) geben Grund zur Annahme, dass diese Erkrankung wohl leichter zu behandeln ist als z.B. die rheumatoide Arthritis. Im Einzelfall verbesserten sich Rückenschmerzen, Muskelverspannungen und die damit oft verbundenen Schlafstörungen. Schübe ließen sich abfangen und ein Patient wurde weitgehend beschwerdefrei.

Zu den Ursachen

Es ist bekannt, dass Erbfaktoren wie das HLA-B27 die Krankheit begünstigen (siehe z.B. Bechterew-Brief Nr. 76 S. 3–6 und Nr. 84 S. 21–23). Diese Veranlagung lässt sich auch mit chinesischen Methoden nicht beeinflussen. Jedoch ist die Vererbung nicht die einzige bestimmende Komponente, die den Schweregrad der Erkrankung festlegt.
Als Auslöser für den Beginn der Erkrankung werden bakterielle Infekte vor allem im Harnwegebereich, aber auch im Darm vermutet. Das deckt sich mit den Erfahrungen, die wir in der Behandlung mit der TCM machen konnten. Einerseits kommen Infekte als Auslöser für eine Fehlsteuerung im Immunsystem in Frage. Andererseits berichten Patienten während der Behandlung immer wieder von Erkältungen mit unglaublich viel Schleimauswurf, die gleichzeitig eine entscheidende und anhaltende Besserung der rheumatischen Beschwerden bewirkt. Wie ist das erklärbar?
Die chinesische Medizin beschreibt sehr genau, wie aus nicht bewältigten Erkältungen zunächst chronische, zum Teil völlig unauffällige Entzündungsherde in der Schleimhaut entstehen, die sich vielleicht in einer Anfälligkeit für Erkältungen zeigt oder z.B. durch ständigen Schleim in der Nase. Seltene oder schwache Infekte sind dabei oft ein Hinweis auf ein schwaches Immunsystem!
Bricht nun in einer besonderen Belastungssituation das Abwehrsystem völlig zusammen, rutscht die Erkältung in die Tiefe des Körpers, bevorzugt in kälteempfindliche Regionen wie Gelenke und Knochen und unterhält dort auch chronische Entzündungen. Nur gibt es dort kein Ventil wie bei der Nase, über die Schleim ausgeleitet werden kann. Das erhöht den zerstörerischen Charakter der Entzündung. Mit den chinesischen Arzneimitteln stellen wir eine Verbindung her zwischen dem Entzündungsherd in der Tiefe (z.B. in der Wirbelsäule) und in der Schleimhaut (z.B. in der Nase), so dass der Schnupfen Entzündungsmaterial aus der Wirbelsäule ausleitet und somit zu einer Besserung führt.

Überblick über chinesische Behandlungsverfahren

Chinesische Gesundheitsübungen:

Tai-Chi (Bechterew-Brief Nr. 19 S. 39–43 und Nr. 67 S. 20–22) und Qi Gong (Bechterew-Brief Nr. 74 S. 19–20) sind Bewegungsübungen, die zur Vorbeugung gegen Krankheiten und zum Sammeln und Harmonisieren von Qi (Lebenskraft, Lebensatem, Fluss der Energie) dienen.

Chinesische Diätetik:

Für jede Störung gibt es bestimmte Nahrungsmittel, die diese ausgleichen sollen. Die Übertragung in unsere Kultur ist schwierig, vor allem, da wir im Gegensatz zu früher nicht unter Mangelkrankheiten leiden, sondern unter Überflusskrankheiten.
F. X. Mayr hat für unsere Wohlstandsgesellschaft die wichtigsten Ernährungsempfehlungen aufgestellt (Bechterew-Brief Nr. 60 S. 34). Die allerwichtigste Regel lautet: Morgens essen wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettler. Ansonsten empfiehlt die chinesische Medizin, Kaltes (Getränke, Eis) zu meiden und sparsam zu sein mit Süßigkeiten, Fleisch und Wurst, Milch und Käse, und zuletzt mit Rohkost, vor allem, wenn man zu Durchfall neigt, wie das bei Morbus Bechterew oft begleitend auftritt.

Manuelle Therapien:

Tuina (Bild 1), Shiatsu, Akupunktmassage, aber auch andere energetisch arbeitende Massagen wie Glasersche Atemtherapie, kraniosakrale Therapie, Osteopathie oder Fußreflexzonenmassage tragen oft viel zu einer Besserung bei.

Bild 1: Die meridian-orientierte Tuina-Massage, bewährter Baustein der Traditionellen Chinesischen Medizin

Bild 1: Die meridian-orientierte Tuina-Massage, bewährter Baustein der Traditionellen Chinesischen Medizin

 

 

Akupunktur (Bild 2) und Moxa (die Erwärmung von Akupunkturpunkten durch eine Zigarre aus Beifußkraut) als sehr wirksame äußere Therapieverfahren sind insbesondere bei Schmerzen zu empfehlen, aber wirken auch in der Tiefe regulierend auf alle Körperfunktionen (Bechterew-Brief Nr. 54 S. 15–28 und Nr. 80 S. 19–20).

Bild 2: Akupunktur – ein präzises
Verfahren, um auf innere Organe einzuwirken.

Bild 2: Akupunktur – ein präzises Verfahren, um auf innere Organe einzuwirken.

 

Chinesische Arzneimittel

Die Chinesische Arzneitherapie (Bild 3) ist die Hauptmethode in unserer Klinik, da sie der Akupunktur in folgender Hinsicht überlegen ist:

Eine Rezeptur: besteht meist aus 4 bis 8 vorwiegend pflanzlichen Einzelmitteln und stellt eine Art Einsatztrupp dar, der sinnvoll nach- und miteinander arbeiten soll. Die chinesische Arzneimitteltherapie braucht etwa 4 Tage, bis die Wirkung für den Arzt beim Fühlen des Pulses, am Aussehen der Zunge und bei der Befragung des Patienten sichtbar wird.
Je nach Reaktion muss die Rezeptur ständig angepasst werden.
Nebenwirkungen gibt es in diesem Sinne nicht, da es sich immer um die Hauptwirkung handelt. Der Behandler muss sich entscheiden, in welche Richtung der Impuls gehen soll.
Als drastischer, aber einleuchtender Vergleich dient das Autofahren. Wenn ich an einer Kreuzung stehe, muss ich entscheiden, ob ich Gas geben muss (also Kraft/Wärme zuführe) oder bremsen (kühlen, beruhigen). War die Entscheidung falsch, wird es schnell offensichtlich.

Bild 3: Chinesische Arzneimittel
sind unverzichtbarer Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin bei der
Behandlung chronischer Erkrankungen.

 

Das Therapieziel

ist nicht nur eine Verbesserung der Beschwerden, sondern es gibt meistens zwei Hauptaufgaben. Vergleichbar mit einem renovierungsbedürftigen Haus, gibt es bestimmte Sanierungsaufgaben (neue Tapeten = Regeneration der Schleimhäute, etc.). Die weitaus schwierigere Aufgabe ist jedoch, zu erkennen, warum es dazu gekommen ist, also das Wiedererlernen der natürlichen Funktionsabläufe (Müllabfuhr = d.h. es soll nicht nur Stuhl kommen, sondern über den Stuhl soll alles ausgeleitet werden, was nicht in den Körper hineingehört, was sowohl bei Verstopfung als auch bei Durchfall nicht richtig funktioniert – Dann wird Medizin überflüssig.

Wo lasse ich mich behandeln?

Wenn jemand daran denkt, sich behandeln zu lassen, kommt wohl meistens eine ambulante Therapie in Frage. Hierzu führt unsere Klinik eine Liste von Ärzten, die nach unserem TCM-Konzept arbeiten. Auskunft gibt auch die DVMB-Geschäftsstelle.

Morbus-Bechterew-Journal Ende

Anschrift der Verfasserin: Klinik am Steigerwald, Waldesruh, 97447 Gerolzhofen