Aus dem Bechterew-Brief Nr. 81 (Juni 2000)

"Experimentelle Therapie" bei entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen

von Dr. med. Jan Brandt, Prof. Dr. med. Jochen Sieper und Prof. Dr. med. Jürgen Braun, Klinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin

Einleitung

Die etablierten Behandlungsmöglichkeiten der entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen (Spondyloarthritiden) sind unbefriedigend. Die Langzeit-Antirheumatika ("Basismedikamente") Sulfasalazin, Methotrexat und Cyclosporin haben eine gewisse Wirksamkeit bei Psoriasis-Arthritis. Bei der Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) wirkt Sulfasalazin vor allem auf periphere (außerhalb der Wirbelsäule liegende) Gelenke. Die Wirbelsäulenbeschwerden werden in fortgeschrittenen Stadien nicht beeinflusst. Ob ein Einfluss in frühen Stadien vorhanden ist, ist ungeklärt.
Der Krankheitsverlauf der Spondylitis ankylosans kann durch Physiotherapie und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) nur beeinflusst, aber nicht aufgehalten werden. Bis zu 20% der Morbus-Bechterew-Patienten sprechen schlecht oder gar nicht auf NSAR an. Auch die neuen, nur das Enzym COX-2 hemmenden NSAR wie Rofecoxib stellen keine Lösung dieses Problems dar (siehe Anhang).
Die Injektion eines Corticosteroids ins Gelenk wirkt zwar in diesem Gelenk, kaum aber an allen übrigen Entzündungsstellen. Insgesamt besteht ein dringender Bedarf an verträglicheren und besser wirksamen Therapien.
Vor diesem Hintergrund hat die Pharmaindustrie eine neue Gruppe von Medikamenten entwickelt, die sich die Erkenntnisse der Molekularbiologie zunutze macht und bei den Autoimmunkrankheiten direkt ins Immungeschehen eingreift. Man nennt diese Medikamente "Biologicals". Bei uns hat sich für diese teuren High-Tech-Medikamente die Bezeichnung "Experimentelle Therapie" eingebürgert.

Der Tumornekrose-Faktor Alpha

Der Tumor-Nekrose-Faktor alpha (abgekürzt TNF-alpha) ist ein Zytokin (Botenstoff, der Informationen zwischen Zellen transportiert), das insbesondere von Makrophagen (Fresszellen), aber auch von T-Zellen (ebenfalls weißen Blutkörperchen) produziert wird und dem eine zentrale Rolle bei Entzündungsprozessen zugeschrieben wird.
In den letzten Jahren gab es zunehmend Hinweise darauf, dass TNF-alpha bei der chronischen Polyarthritis eine zentrale Rolle in der Krankheitsentstehung spielt. Daraus entstand die inzwischen eindrucksvoll bestätigte Hypothese, dass eine Blockade von TNF-alpha eine neue Behandlungsmöglichkeit für die chronischen Polyarthritis darstellen könnte.
Der erste für die Therapie der chronischen Polyarthritis (rheumatoide Arthritis) zur Verfügung stehende TNF-alpha-Blocker war ein monoklonaler Antikörper, der 1999 als Infliximab (Handelsname Remicade) in den Handel kam. In der ersten Placebo-kontrollierten Studie aus dem Jahr 1994 erhielten 73 Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis eine Dosis von 1 oder 10 mg Infliximab pro kg Körpergewicht. Nach einmaliger Infusion zeigten 44% der Patienten (bei 10 mg/kg sogar 79%) eine wesentliche Besserung, während es in der Placebogruppe (Behandlung mit einem Scheinpräparat zum Vergleich) nur 8% waren.
Mittlerweile wurde die Wirksamkeit der Anti-TNF-alpha-Therapie bei Polyarthritis in verschiedenen Studien nachgewiesen. Zuletzt konnte in einer großen placebo-kontrollierten Studie über ein halbes Jahr mit 428 Patienten gezeigt werden, dass wiederholte Infusionen mit Infliximab während einer Basistherapie mit Methotrexat wirksamer sind als Methotrexat allein.
Ein weiteres Anti-TNF-alpha-Mittel ist der TNF-alpha-Rezeptor Etanercept (Handelsname Enbrel), der in Deutschland seit Anfang 2000 für die Behandlung der chronischen Polyarthritis zugelassen ist. Er heftet sich ebenfalls an die TNF-alpha-Moleküle und macht sie so unwirksam. Bei Polyarthritis-Patienten, bei denen Methotrexat allein unzureichend wirkte, ist eine Kombination aus Methotrexat und Etanercept ebenfalls wirksam.

Anti-TNF-alpha-Therapie bei der Spondylitis ankylosans

Bei der Spondylitis ankylosans gibt es Hinweise, dass TNF-alpha ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Krankheitsentstehung spielt. An Gewebeproben konnten wir kürzlich zeigen, dass im Iliosakralgelenk von Morbus-Bechterew-Patienten TNF-alpha-Eiweiß vorhanden ist, aber kein Bakterien-Eiweiß.
Ein weiterer Hinweis ist die Tatsache, dass die Wirksamkeit von Anti-TNF-alpha in den letzten Jahren auch bei Morbus Crohn nachgewiesen wurde. Der Morbus Crohn tritt mit der Erkrankungsgruppe der Spondyloarthritiden häufig gemeinsam auf: 20–60% der Spondyloarthritis-Patienten haben Darmschädigungen wie beim Morbus Crohn.
In einer ersten Pilotstudie haben wir deshalb 11 Patienten mit aktiver Spondylitis ankylosans mit je 3 Infusionen Infliximab (5 mg pro kg Körpergewicht) behandelt. Das Alter der Patienten reichte von 27 bis 56 Jahren (Durchschnitt 36 Jahre). Die durchschnittliche Erkrankungsdauer betrug 5 Jahre (0,5–13 Jahre). Alle Patienten hatten eine hoch aktive Erkrankung. Der Krankheitsaktivitätsindex (Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index, BASDAI), dessen Skala von 0 bis 10 reicht, lag bei ihnen zwischen 5,5 und 8,5 (Durchschnittswert 6,5). 10 der Patienten hatten vor der Therapie erhöhte Werte des Entzündungs-Laborwerts CRP (C-reaktives Protein). Fünf Patienten hatten Röntgen-Veränderungen an der Wirbelsäule mit 3 oder mehr Syndesmophyten oder überbrückten Wirbelkörpern.

Ergebnisse der Pilotstudie

Eine Patientin entwickelte 2 Wochen nach der ersten Infusion einen Hautausschlag und wurde von der weiteren Behandlung ausgeschlossen. Die übrigen 10 Patienten zeigten sofort nach der ersten Infusion eine dramatische Besserung, die bei allen 10 Patienten über 6 Wochen anhielt. In der 12. Woche (6 Wochen nach der 3. Infusion) hielt die Wirkung noch bei 9 der 10 Patienten an. Der mittlere Krankheitsaktivitätsindex BASDAI fiel in den ersten 4 Wochen von 6,5 auf 2 und blieb auf diesem niedrigen Niveau (Bild 1). Der Mittelwert des CRP war 4 Wochen nach der ersten Infusion von 15,5 auf 6,0 mg/l zurückgegangen (Bild 2). Auch andere Messwerte für den Krankheitsverlauf (Beweglichkeit, Stärke der Schmerzen) verbesserten sich bei 9 von 10 Patienten um mehr als 50 %. Zwei Patienten hatten eine chronische Gelenkentzündung im Knie und im Sprunggelenk, die innerhalb der ersten zwei Tage nach der 1. Infusion abklangen. Der durchschnittlich NSAR-Verbrauch sank um mehr als 50% des Ausgangsverbrauchs. Fünf Patienten konnten die Einnahme ganz beenden.
Während der Studiendauer von 12 Wochen traten bei 5 von 11 Patienten harmlose Infektionen auf. Es handelte sich um 2 Mandelentzündungen, eine Nasennebenhöhlenentzündung und eine Mittelohrentzündung, die nach antibiotischer Therapie ausheilten. Ein Patient entwickelte eine Herpes-Infektion an den Lippen.

Bild 1: Mittelwert (Medianwert) der Krankheitsaktivität („Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index”) vor, während und nach der dreimaligen Infusion des TNF-alpha-Blockers Infliximab
Bild 2: Mittelwert (Median) des Entzündungs-Laborwerts C-reaktives Protein vor, während und nach der dreimaligen Infusion des TNF-alpha-Blockers Infliximab

Insgesamt zeigt diese Pilotstudie, dass eine TNF-alpha-Blockade mit Infliximab sehr wahrscheinlich auch bei einer aktiven Spondylitis ankylosans ein gut wirksames Behandlungskonzept darstellt. Fast alle Patienten hatten eine mehr als 50%ige Besserung der Krankheitsaktivität. Zukünftig muss in placebo-kontrollierten Studien sowohl die Kurzzeit- als auch Langzeit-Wirkung noch genauer untersucht werden. Nach den vorliegenden Ergebnissen scheint bei einer langfristigen Therapie im allgemeinen eine Infusion alle 6 Wochen nach einer anfänglichen Infusion in den Wochen 0, 2 und 6 sinnvoll zu sein. Individuelle Unterschiede sind möglich.

Die Ergebnisse lassen hoffen, dass mit der Blockade von TNF-alpha ein neues Therapiekonzept für die Spondylitis ankylosans zur Verfügung steht, das bei langfristigem Einsatz erstmalig in der Lage wäre, eine dauerhafte Besserung zu bewirken und möglicherweise auch die Versteifung aufzuhalten.

Anti-TNF-alpha-Therapie bei Psoriasis-Arthritis

Eine andere Forschergruppe behandelte in einer offenen (nicht placebo-kontrollierten) Studie 6 Patienten mit schwerer Psoriasis-Arthritis, die schon vorher mit Methotrexat behandelt wurden, zusätzlich mit Infliximab. Die Patienten erhielten wie bei unserer Studie 3 Infusionen mit jeweils 5 mg Infliximab pro kg Körpergewicht und wurden insgesamt 10 Wochen lang beobachtet. Bei allen 6 Patienten trat eine schnelle und anhaltende Besserung der Gelenk- und Hautbeschwerden ein. Somit scheint eine Blockade von TNF-alpha auch bei Patienten mit schwerer Psoriasis-Arthritis, bei denen eine Methotrexat-Behandlung allein nicht ausreicht, eine vielversprechende neue Behandlungsmöglichkeit zu sein.

Mögliche Nebenwirkungen der Therapie mit Infliximab

Folgende Nebenwirkungen kommen bei einer TNF-alpha-Blockade in Frage:

In der größten Placebo-kontrollierten Studie mit 428 Polyarthritis-Patienten, die ein halbes Jahr lang alle 4 bzw. 8 Wochen mit Infliximab behandelt wurden, wurden folgende Häufigkeiten von Nebenwirkungen beobachtet:

Infusions-bedingte Nebenwirkungen waren meistens mild und besserten sich von selbst. Am häufigsten waren dies Kopfschmerzen oder Schwindel. Nur 2 der 340 Patienten in der Infliximab-Gruppe mussten wegen eines allergischen Nesselausschlags oder Atembeschwerden die Teilnahme abbrechen.
Infektionen der Atemwege waren mit 20–33% in der Infliximab-Gruppe und 16% in der Placebogruppe (statistisch nicht signifikant) die häufigste Nebenwirkung. Als gefährliche eingeordnete Infektionen traten in den Infliximab-Gruppe und der Placebo-Gruppe mit jeweils 6% gleich häufig auf.
Unter einer Infliximab-Therapie kann es zur Bildung von Doppelstrang-Antikörpern kommen, die beim Systemischen Lupus erythematodes, (einer anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankung) eine Rolle spielen. In der oben zitierten Studie traten bei 16% der Patienten Doppelstrang-Antikörper neu auf. Jedoch nur bei einem Patienten führte dies zu einem medikamenten-verursachten Lupus erythematodes mit typischen Hautveränderungen. Nach Beendigung der Therapie klangen die Hautveränderungen ab.
Weil der Anti-TNF-alpha-Antikörper auch als Antigen wirkt, kann es zur Bildung von Antikörpern gegen diese Antikörper kommen. Nach einmaliger Infusion wurde dies bei 5–25% der Patienten beobachtet. Eine gleichzeitige Therapie mit Methotrexat scheint die Häufigkeit dieser Antikörper-Bildung zu verringern. Ob sich die Anti-Antikörper-Bildung auf die Wirksamkeit der Therapie und auf die Häufigkeit von Nebenwirkungen auswirkt, ist noch ungeklärt.
Malignome (bösartige Geschwulste) traten unter den 340 Patienten der Infliximab-Gruppe bei 3 Patienten auf: ein Brustkrebs-Rückfall, ein Hautkrebs und ein Lymphgewebe-Krebs. Die beobachtete Häufigkeit war nicht höher, als es aufgrund einer Datenbank der amerikanischen Gesundheitsbehörde bei der vorhandenen Alters- und Geschlechtsverteilung zu erwarten war.

Ausblick zur TNF-alpha-Blockade bei Spondyloarthritiden

Insgesamt scheint nach den bisherigen Erfahrungen bei der Polyarthritis und beim Morbus Crohn die Therapie mit Infliximab eine gut verträgliche Behandlung zu sein. Insbesondere die Frage des Krebsrisikos ist aber bis heute wegen der zu kurzen Anwendungszeit nicht ausreichend sicher zu beantworten.
Ob die Anti-TNF-alpha-Behandlung bei den Spondyloarthritiden auf die Dauer ähnlich unproblematisch einzusetzen ist, müssen die noch ausstehenden Langzeitstudien zeigen.
Sollten weitere Untersuchungen die hier dargestellten optimistisch stimmenden Ergebnisse zur Wirksamkeit und Verträglichkeit bestätigen, bestünde zukünftig für Patienten mit einem schweren Verlauf der Spondylitis ankylosans oder einer anderen Spondyloarthritis eine hochwirksame neue Therapiemöglichkeit.
Wegen der nicht unerheblichen Kosten dieser Therapie (3.300 bis 5.500 DM pro Infusion) wäre eine breite Diskussion in der Rheumatologie über den Umgang mit dieser neuen Generation der "Biologicals" und die Erarbeitung von Rahmenrichtlinien für ihren Einsatz wünschenswert.

Thalidomid-Therapie bei Spondylitis ankylosans

Thalidomid (früher unter dem Handelsnamen Contergan als Beruhigungsmittel verwendet) blockiert die entzündungsfördernde Wirkung von TNF-alpha auf indirektem Weg. Französische Forscher haben 1999 zwei Spondylitis-ankylosans-Patienten, bei denen andere Medikamente nicht halfen, mit Thalidomid behandelt. Der Beobachtungszeitraum betrug 24 bzw. 72 Wochen.
Bei beiden Patienten nahm der entzündliche Rückenschmerz und die periphere Gelenkbeteiligung deutlich ab. Die Beweglichkeit verbesserte sich innerhalb eines halben Jahres um mehr als 50%, und auch die Laborwerte verbesserten sich unter der Therapie.
Bei einem der Patienten verminderte sich nach 9 Monaten Therapie die Zahl der weißen Blutkörperchen erheblich. Nach Absätzen der Thalidomid-Therapie normalisierte sich die Leukozytenzahl zügig, aber auch die Krankheitsaktivität stieg schnell wieder an. Nach Wiederaufnahme der Therapie mit nur 100 mg Thalidomid pro Tag ging die Krankheitsaktivität erneut zurück, ohne dass Nebenwirkungen auftraten.
Studien zur Wirksamkeit von Thalidomid bei der chronischen Polyarthritis wurden vor einigen Jahren eingestellt, weil die Haupt(neben)wirkung von Thalidomid die Schlafneigung ist. Dies könnte bei den vergleichsweise jüngeren Spondylitis-ankylosans-Patienten aber anders sein.
Insgesamt könnte Thalidomid über die indirekte Unterdrückung von TNF-alphaeinen zweiten neuen Therapieansatz für die Spondylitis ankylosans darstellen. Aber auch bei dieser Substanz sind zunächst kontrollierte Studien zur Verträglichkeit und zum eindeutigen Wirksamkeitsnachweis notwendig.

Pamidronat-Therapie bei Spondylitis ankylosans

Pamidronat gehört zur Gruppe der Aminobisphosphonate, die dem Abbau der Knochensubstanz entgegenwirkt. Bisphosphonate werden bei Erkrankungen mit verändertem Knochenstoffwechsel eingesetzt: Beim Morbus Paget (einer Knochenkrankheit mit Verdickung und Verkrümmung einzelner Röhrenknochen und Neigung zu Knochenbrüchen), bei Knochenmetastasen und bei der Osteoporose.. Der Wirkungsmechanismus ist bisher nicht eindeutig geklärt. Wesentlich ist eine Bindung an die Oberfläche des Knochens mit Hemmung der Osteoklasten (für den Knochenabbau zuständige Zellen). Neue Untersuchungen sprechen dafür, dass Bisphosphonate auch entzündungshemmend wirken. Im Tierversuch konnte durch Bisphosphonate eine Besserung hervorgerufen werden.
1998 berichteten amerikanische Forscher erstmalig über die Behandlung von 16 Spondylitis-ankylosans-Patienten mit Pamidronat. Ihr Alter lag zwischen 27 und 62 Jahren (Durchschnitt 41,8 Jahre), die durchschnittliche Erkrankungsdauer lag bei 12,3 Jahren (3 bis 32 Jahre). Die Patienten hatten trotz der höchstzulässigen NSAR-Dosis eine hohe Krankheitsaktivität (BASDAI durchschnittlich: 6,7). Drei Patienten hatten gleichzeitig einen Morbus Crohn und erhielten eine Kombination aus Paracetamol und Codein. Die 1. Gruppe mit 8 Patienten erhielt 30 mg Pamidronat (Handelsname Aredia) monatlich über 3 Monate, gefolgt von Infusionen mit 60 mg monatlich über weitere 3 Monate. Die 2. Gruppe mit ebenfalls 8 Patienten erhielt nur Infusionen mit 60 mg monatlich über 3 Monate. Bezüglich der Krankheitsaktivität, der Wirbelsäulenbeweglichkeit und der Blutsenkungsgeschwindigkeit wurden in der 1. Gruppe signifikante Besserungen beobachtet. In der 2. (mit nur 3 Infusionen behandelten) Gruppe war der therapeutische Effekt nicht sehr intensiv. Nur die Wirbelsäulenbeweglichkeit hatte sich auch hier signifikant verbessert. Infusionsbegleitende Nebenwirkungen waren Gelenkschmerzen und Fieber insbesondere bei der 1. Infusion. Sie traten bei 50% der Patienten auf, waren aber leichtgradig und wurden außer bei einem Patienten bei Folgeinfusionen nicht mehr beobachtet.
Diese ersten Ergebnisse sprechen dafür, dass Pamidronat bei Spondylitis-ankylosans-Patienten insbesondere bei längerer Anwendung eine entzündungshemmende Wirkung haben könnte. Damit ist auch diese Substanz ein interessanter Kandidat für weitere Studien.

Langzeit-Therapie mit Medikamenten, die bei der rheumatoiden Arthritis wirksam sind

In den letzten 10 bis 20 Jahren konnte in einer Reihe großer Studien bei der rheumatoiden Arthritis (der chronischen Polyarthritis, einer ebenfalls entzündlich-rheumatischen Erkrankung) eindeutig belegt werden, dass Medikamente wie Methotrexat, Azathioprin und auch das neue Medikament Leflunomid eine anhaltende Unterdrückung der Entzündung und ein Aufhalten der Knochenzerstörung bewirken. Vergleichbar gute Untersuchungen liegen bei der Spondylitis ankylosans nicht vor. Es sollte zukünftig geklärt werden, ob nicht die eine oder andere dieser Substanzen auch für die Spondylitis ankylosans als Langzeit-Therapeutikum eingesetzt werden kann.

Strahlentherapie der Spondylitis ankylosans

Die externe Strahlentherapie mit Röntgenstrahlen ist bei der Spondylitis ankylosans in früheren Jahrzehnten durchaus mit befriedigenden Ergebnissen zum Einsatz gekommen. Die Erfolgsquoten lagen zwischen 40% bis 70%. Berichte über ein gegenüber der Normalbevölkerung erhöhtes Leukämie-Risiko für die behandelten Patienten haben ebenso wie die Entwicklung verträglicherer NSAR dazu geführt, dass diese Behandlungsform bei der Spondylitis ankylosans deutlich zurückgegangen ist und die Bestrahlung nur noch in Extremfällen erwogen wird.
Prinzipiell ist die externe Bestrahlung von der Injektions-Therapie mit radioaktivem Radium-224 zu unterscheiden. Radium lagert sich aufgrund der chemischen Ähnlichkeit zu Kalzium selektiv in Zonen vermehrten Kalziumaustauschs ein. Infolge der geringen Reichweite der Alphastrahlung wird fast nur das Zielgewebe bestrahlt (siehe Bechterew-Brief Nr. 80 S. 10–13). Dies ist ein ganz wesentlicher Vorteil gegenüber der Röntgenbestrahlung, bei der stets das umliegende Gewebe mitbestrahlt wird.
Die heute praktizierte Radium-224-Therapie mit Präparaten hoher Reinheit in niedriger Dosierung von 280 Mikrocurie ist mit einem deutlich geringeren Strahlenrisiko behaftet und stellt eine im Einzelfall mögliche Behandlungsalternative dar. Allerdings sind auch hier prospektive Studien notwendig, um den Stellenwert dieser Therapieform für die Spondylitis ankylosans klarer festzulegen (siehe auch Bechterew-Brief Nr. 81 S. 16 und Nr. 84 S. 32).

Bechterew-Brief Ende

Anschrift der Verfasser: Klinikum Benjamin Franklin, Medizinische Klinik IV, Rheumatologie, Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin

Quelle: Patientenverständliche Fassung eines in "Aktuelle Rheumatologie" Jahrgang 25 (2000) S. 38-42 erschienenen Aufsatzes

Aufruf zur Beteiligung an einer Therapie-Studie mit Anti-TNF-alpha-Antikörpern

von Prof. Dr. med. Jürgen Braun, Dr. med. Jan Brandt und Prof. Dr. med. Jochen Sieper, Klinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin

Der Botenstoff TNF-alpha spielt für Entstehung und Aufrechterhaltung der Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) nach heutigen Erkenntnissen eine wichtige Rolle. Seit einiger Zeit stehen jetzt Medikamente zur Verfügung, die TNF-alpha hemmen und teilweise unschädlich machen können. Eines davon heißt Infliximab. Es handelt sich um einen monoklonalen Antikörper, der durch molekulare Techniken hergestellt wird. Seine Wirksamkeit bei anderen chronisch entzündlichen Erkrankungen (chronische Polyarthritis, Morbus Crohn) wurde bereits nachgewiesen. In einer offenen Studie haben wir in Berlin deutliche Anhaltspunkte gewinnen können, dass Infliximab auch beim Morbus Bechterew wirksam ist. Ähnliche Ergebnisse liegen auch aus Belgien vor. Deshalb wird jetzt eine bundesweite Studie durchgeführt, an der folgende Zentren beteiligt sind:

Durchführung der Studie

Die Studie wird nach allen Regeln der Kunst doppelblind und randomisiert durchgeführt. Das bedeutet, dass weder Arzt noch Patient wissen, ob die Infusion, die zunächst nach 2 Wochen, nach 4 Wochen und dann alle 6 Wochen wiederholt wird, Infliximab enthält oder nicht. In den ersten drei Monaten bekommt die Hälfte der Patienten Placebo, also eine Infusion ohne den Wirkstoff. Dadurch kann man die kurzfristige Wirksamkeit beweisen. Danach bekommt jeder Patient Infliximab für ein Jahr. Damit können Erfahrungen in der Langzeitbehandlung gemacht werden (bleibt die Wirksamkeit bestehen? reicht die Dosis? etc.).
Da Infliximab ein starkes gegen Entzündung gerichtetes Medikament und kein Schmerzmittel ist, werden in die Studie nur Patienten eingeschlossen, die sich in einer anhaltend aktiven Krankheitsphase befinden. Wenn Sie sich in einem der Zentren vorstellen, wird dies anhand bestimmter klinischer Zeichen am Anfang gemessen, um zu klären, ob Sie für die Studie in Frage kommen. Studienbeginn ist im Juni 2000.
Eher nicht geeignet sind Patienten mit bereits sehr langer Krankheitsdauer, schon ausgedehnten Verknöcherungen, wenig Schmerzen und normalen Entzündungsparametern im Blut (C-reaktives Protein).
Wir hoffen, damit endlich ein wirksames Medikament gegen den Morbus Bechterew gefunden zu haben.

Bechterew-Brief Ende

Anschrift der Verfasser: Klinikum Benjamin Franklin, Medizinische Klinik IV, Rheumatologie, Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin

Anhang:

Vorteil selektiver COX-2-Hemmer bei der Spondylitis ankylosans noch nicht erwiesen

von Prof. Dr. med. Jürgen Braun, Klinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin

Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wirken im wesentlichen durch Hemmung des Enzyms Zyklooxygenase (COX), das bei der körpereigenen Herstellung des Hor-mons Prostaglandin eine Rolle spielt. Sie wirken dadurch entzündungshemmend, führen aber gleichzeitig zu einer verminderten Widerstandsfähigkeit der Magenschleim-haut. Seit kurzem ist klar, dass es zwei verschiedene Zyklooxygenasen gibt: COX-1 und COX-2. Zur Entzündungshemmung und Schmerzlinderung ist es nötig, das Enzym COX-2 zu hemmen, während COX-1 zum Schleimhautschutz beiträgt. Während ältere NSAR wie Indometacin (Handelsname AMUNO) vor allem die COX-1 hemmen, beeinflussen Diclofenac (VOLTAREN) und das etwas besser verträgliche Präparat Meloxicam (MOBEC) vorzugsweise COX-2. Beide hemmen aber auch COX-1, vor allem im höheren Dosis-Bereich. Das neuere NSAR Rofecoxib (Handelsname VIOXX) ist dagegen ein spezifischer COX-2-Hemmer, der kaum noch eine nachweisbare COX-1-Hemmung aufweist. Da aber auch dieses Präparat nur etwas weniger auffällige Magen-Darm-Symptome erzeugt im Vergleich zu Diclofenac, wird klar, dass die COX-1/COX-2-Unterscheidung nur ein Teil der Magen-Darm-Problematik der NSAR erklärt.
Die selektive COX-2 Hemmung löst das Problem zwar nicht ganz. Im Vergleich zu konventionellen Präparaten führt Rofecoxib, das seit November 1999 für die Behandlung einer leichten Arthrose zugelassen ist, aber zu einer deutlich geringeren Häufigkeit von Magengeschwüren. Die Wirksamkeit der neuen COX-2-selektiven NSAR ist bei leichter Arthrose dem Diclofenac oder Ibuprofen vergleichbar. Bei stärkeren Schmerz- bzw. Entzündungszuständen ist sie wahrscheinlich eher als etwas schwächer einzuschätzen. Für die Behandlung des Morbus Bechterew liegen bezüglich der Wirksamkeit und Verträglichkeit bisher noch keine Erkenntnisse vor.
Der Einsatz der neuen COX-2-selektiven NSAR wird aber auch durch ökonomische Überlegungen relativiert, da die neuen Präparate, den erheblichen Entwicklungskosten entsprechend, noch teurer sind als die konventionellen Präparate. Ob die neueren COX-2-Hemmer sich bei ausgesprochenen Risikopatienten (auch im Vergleich zu einer Kombination aus konventionellem NSAR und einem Magenschutzmittel, z. B. Omeprazol) als günstiger erweisen, muss sich in prospektiven Studien erst noch erweisen.

Bechterew-Brief Ende