Aus dem Nr. 75 (Dezember 1998)
DVMB-Forschungspreis für Dr. Thomas Höhler von der Universität Mainz
von Prof. Dr. rer. nat. Ernst Feldtkeller, Vorsitzender des Kuratoriums für den DVMB-Forschungspreis, München
Zum dritten Mal verlieh die DVMB bei ihrer diesjährigen
Delegiertenversammlung in Bad Eilsen den Forschungspreis der DVMB an einen
erfolgreichen Wissenschaftler für seine hervorragenden wissenschaftlichen
Arbeiten auf dem Gebiet der Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew).
Der Preis wurde 1993 zum ersten Mal ausgeschrieben und
an Frau Dr. Elisabeth MÄRKER-HERMANN von der Universität Mainz
verliehen (siehe Bechterew-Brief Nr. 55 S. 1 und 3–6). Im Jahre
1996 wurden zwei erfolgreiche Wissenschaftler mit diesem Preis ausgezeichnet:
Dr. Jürgen BRAUN von der Freien Universität Berlin und Dr. Wolfgang
EICH von der Universität Heidelberg.
Diesmal bewarben sich 6 Wissenschaftler aus Deutschland
und Österreich mit neuen interessanten Forschungsergebnissen um den
Preis. Gemäß den Preis-Statuten wurde ein Kuratorium aus namhaften
Wissenschaftlern gebildet, das die Aufgabe hatte, die eingegangenen Arbeiten
zu bewerten und den Preisträger zu ermitteln. Dem Kuratorium
für die Preisvergabe gehörten diesmal folgende Mitglieder an:
Prof. Dr. med. Ernst-Martin LEMMEL, Max-Grundig-Klinik Bühl, Ärztlicher Berater der DVMB,
Dr. med. Bernd FREDERICH, Darmstadt, Ärztlicher Berater der DVMB,
Prof. Dr. med. Ekkehardt GENTH, Rheumaklinik und Rheumaforschungsinstitut Aachen,
Prof. Dr. med. Wolfgang KEITEL, Vogelsang bei Magdeburg, Ärztlicher Berater unseres Landesverbands Sachsen-Anhalt,
Prof. Dr. med. Gerd WESELOH, Orthopädische Universitätsklinik Erlangen,
Dr. Josef A. HOFFMANN für den Sposor des Preisgelds, die Pharmacia & Upjohn GmbH Erlangen, und
Prof. Dr. Ernst FELDTKELLER, Physiker, wissenschaftliche Redaktion Bechterew-Brief, den die übrigen Kuratoriumsmitglieder zum Vorsitzenden des Kuratoriums wählten.
Das Kuratorium entschied nach sorgfältiger Durchsprache aller eingereichten Arbeiten, den Forschungspreis zu vergeben an
Dr. med. Thomas HÖHLER von der Universität Mainz für seine Arbeit
"Die Spondylitis ankylosans jenseits von HLA-B27 – Eine immungenetische Untersuchung zur Bedeutung anderer MHC-kodierter Gene und des T-Zellrezeptor-Repertoires in der Krankheitspathogenese"
Der Preis ist mit einem Geldbetrag von 7500 DM verbunden,
den die Pharmacia & Upjohn GmbH stiftete. Ihr sei an dieser Stelle
ganz herzlich für ihre großzügige Spende gedankt!
Das Kuratorium beschloß außerdem eine lobende
Erwähnung von Frau Dr. med. Gudrun LIND-ALBRECHT, Karl-Aschoff-Klinik
in Bad Kreuznach, für ihre Arbeit "Zusatzeffekt der Radonstollentherapie
im Rahmen der stationären Rehabilitation bei Spondylitis ankylosans
(Morbus Bechterew)".
Die lobende Erwähnung ist mit einem Reisekostenzuschuß
zum Besuch einer wissenschaftlichen Tagung verbunden, den ebenfalls die
Pharmacia & Upjohn GmbH zur Verfügung stellte.
DVMB-Forschungspreisträger Dr. Thomas HÖHLER
(Mitte) mit des Sponsoren des Preisgelds, Dr. Josef A.
Hoffmann (links) und Hans-Dieter Hilbert (rechts) von der
Pharmacia & Upjohn GmbH, bei der Preisverleihung am
17. Oktober 1998 in Bad Eilsen
Zwillingsforschung an DVMB-Mitgliedern zur Aufklärung
der Rolle verschiedener Erbfaktoren
HLA-B27-positive Verwandte ersten Grads von Morbus-Bechterew-Patienten
haben ein 10-fach höheres Erkrankungsrisiko als andere HLA-B27-Positive.
Es müssen also weitere Erbfaktoren zum Erkrankungsrisiko beitragen.
Das HLA-B27-Gen trägt wahrscheinlich nur 16–30% zum Erkrankungsrisiko
bei. Trotzdem konzentrierte sich die Ursachenforschung beim Morbus Bechterew
bisher fast ausschließlich auf die Rolle des Erbfaktors HLA-B27 bei
der Krankheitsentstehung.
Um die Rolle weiterer Erbfaktoren zu erkunden, suchte
Dr. Höhler nach Unterschieden im Blut von eineiigen Zwillingen, von
denen entweder nur einer oder beide an Morbus Bechterew erkrankt sind.
Solche Zwillinge meldeten sich auf zwei Aufrufe hin, die wir auf die Bitte
von Frau Dr. Märker-Hermann im Bechterew-Brief Nr. 58 S. 14 und Nr.
66 S. 18 veröffentlicht hatten.
Einer der Erbfaktoren, auf die sich Dr. Höhler bei
diesen Untersuchungen konzentrierte, ist der "Tumor-Nekrose-Faktor Alpha"
(abgekürzt TNF-alpha), der seinen Namen daher hat, daß er bei
der körpereigenen Tumor-Bekämpfung eine Rolle spielt. Er tritt
wie das HLA-B-Gen in verschiedenen Varianten auf und ist auf dem 6. Chromosom
in unmittelbarer Nachbarschaft des HLA-B-Gens kodiert. Andere Moleküle,
auf die sich Dr. Höhler bei seinen Untersuchungen konzentrierte, sind
die Rezeptoren (Signalempfänger) der T-Zellen des Immunsystems, deren
Varianten nicht erblich festgelegt sind, sondern sich in der Kindheit bei
der Reifung des Immunsystems herausbilden.
Die Untersuchungen von Dr. Höhler hatten folgende
Ergebnisse:
- Das Gen HLA-B27 beeinflußt auch hier die Erkrankungsrate:
Von B27-negativen eineiigen Zwillingspaaren ist häufiger nur einer
an Morbus Bechterew erkrankt als bei B27-positiven Zwillingspaaren.
- Von männlichen eineiigen Zwillingen sind häufiger
beide an Morbus Bechterew erkrankt als von weiblichen. Es scheint also
einen (noch nicht verstandenen) geschlechtsspezifischen Unterschied zu
geben, der die Erkrankung bei Frauen unwahrscheinlicher macht. (Anmerkung:
Inzwischen sieht es eher so aus, als ob bei Frauen nur die Diagnose schwerer
fällt und die Krankheit häufiger unerkannt bleibt, siehe Bechterew-Brief
Nr. 74 S. 3–7).
- Die Unterschiede im Rezeptor-Repertoire von Helfer-
oder zelltötenden T-Zellen sind ausgeprägter, wenn beide Zwillingspaare
an Morbus Bechterew erkrankt sind. Die Unterschiede vergrößern
sich offensichtlich bei der Auseinandersetzung mit bakteriellen oder eigenen
Antigenen während des Krankheitsverlaufs.
- In der Antikörperkonzentration gegen Klebsiellen
fand sich kein Unterschied zwischen den Morbus-Bechterew-Patienten und
den gesunden Zwillingspartnern.
- Die weißen Blutkörperchen der erkrankten
Zwillingspartner reagieren schwächer auf bakterielle Antigene als
die weißen Blutkörperchen der gesunden Zwillingspartner. Möglicherweise
trägt dieser Unterschied zur Krankheitsentwicklung bei.
In seiner Laudatio beurteilt das Kuratorium für den DVMB-Forschungs-Preis
die Ergebnisse folgendermaßen:
Herr Dr. Höhler liefert mit seiner Arbeit einen
wesentlichen Beitrag zur Klärung der Rolle sowohl der Erbfaktoren
als auch der Umweltfaktoren bei der Entstehung des Morbus Bechterew.
Mit den weltweit ersten immunologischen Untersuchungen
an Zwillingen mit Morbus Bechterew konnte Dr. Höhler untermauern,
daß die Genetik allein für die Manifestation eines Morbus Bechterew
nicht ausreicht. Die Vermehrung bestimmter Antigen-gesteuerter Helfer-
oder zelltötender T-Zellen im Blut der an Morbus Bechterew erkrankten
Zwillingsgeschwister belegt den Einfluß bakterieller Antigene auf
das T-Zellrezeptor-Repertoire der Erkrankten.
Besonders innovativ ist die Entdeckung, daß es
Zytokin-Regulator-Varianten (bestimmte Mutationen des TNF-alpha-Regulators)
gibt, die bei HLA-B27-positiven und HLA-B27-negativen Individuen mit einem
Schutz vor Morbus Bechterew assoziiert sind. Diese Ergebnisse liefern eine
wichtige Grundlage für weitere Untersuchungen an Morbus-Bechterew-Familien,
bei denen geklärt werden soll, ob Träger dieser Allele im Vergleich
zu Trägern des mit Morbus Bechterew assoziierten Wildtyp-Allels durch
Mehrproduktion von TNF-alpha besser mit krankheitauslösenden bakteriellen
Infektionen umgehen können.
Hinsichtlich neuer Immun-Therapien scheint es nach den
Ergebnissen zumindest fraglich, ob Anti-TNF-alpha-Therapien (wie man sie
jetzt bei Patienten mit rheumatoider Arthritis einsetzt) beim Morbus Bechterew
sinnvoll sein können, in Anbetracht der beim Morbus Bechterew ohnehin
reduzierten TNF-alpha-Produktion.
(Anmerkung: Inzwischen hat sich die TNF-alpha-Blockade
auch beim Morbus Bechterew als hilfreich erwiesen, siehe Bechterew-Brief
Nr. 81 S. 7–13).
Für den Morbus-Bechterew-Patienten und insbesondere
seine Familienangehörigen könnten die Untersuchungen von Dr.
Höhler und der Mainzer Arbeitsgruppe die Konsequenz haben, daß
neben dem HLA-B27 immer mehr genetische Risiko- und Schutzfaktoren entdeckt
werden, die zukünftig hoffentlich das individuelle Risiko bezüglich
der Entwicklung eines Morbus Bechterew besser einschätzen lassen.