von Dr. med. Inge Ehlebracht-König, Trägerin des DVMB-Forschungspreises 2002, Rehaklinik Bad Eilsen
Vortrag bei der DVMB-Delegiertenversammlung am 15. Juni 2002 in Kassel anlässlich der Verleihung des DVMB-Forschungspreises
Durch Patientenschulungsmaßnahmen sollen
chronisch Kranke in die Lage versetzt werden, ihre Erkrankung und die
damit verbundenen Belastungen eigenverantwortlicher zu bewältigen.
Patientenschulung dient der „Hilfe zur Selbsthilfe“ oder – moderner ausgedrückt
– dem Selbstmanagement. Patientenschulungsprogramme umfassen mehrere
Elemente: die Vermittlung spezifischen Krankheitswissens, den Aufbau
einer adäquaten Einstellung zur Erkrankung, den Aufbau gesundheitsförderlichen
Verhaltens, die Vermittlung von Selbstmanagementkompetenzen, die Sensibilisierung
der Körperwahrnehmung sowie den Erwerb sozialer Kompetenzen und
die Mobilisierung sozialer Unterstützung [1].
In Deutschland wurden Schulungsprogramme für Patienten mit
chronischer Polyarthritis und Lupus erythematodes [2,
3] in umfassenden Untersuchungen überprüft.
Bei beiden Schulungsprogrammen konnten positive Wirkungen nachgewiesen
werden, beispielsweise eine Verbesserung des Wissensstands sowie der
Einstellung, durch eigenes Handeln selbst Einfluss auf die Krankheit
nehmen zu können. Diese Einstellung wird im weiteren Text als „Selbstwirksamkeit“ bezeichnet.
In der hier vorgestellten Studie wurde das Schulungsprogramm der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie für die Spondylitis
ankylosans (Morbus Bechterew) und verwandte Spondyloarthritiden
(entzündliche Wirbelsäulenkrankheiten) überprüft.
Die Studie wurde im Rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbund
Niedersachsen/Bremen über den Verband Deutscher Rentenversicherungsträger
finanziell gefördert. Ziel der Studie war die Erfassung der Wirksamkeit
auf verschiedenen Ebenen:
Das Schulungsprogramm für Patienten mit Spondylitis ankylosans und verwandten Erkrankungen wurde vom Arbeitskreis Patientenschulung in der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie erstellt [4]. In die Erarbeitung waren Vertreter aller an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen sowie Mitarbeiter der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e.V. einbezogen. Das Programm umfasst 6 Bausteine:
Jede Seminareinheit dauert 90 Minuten. Die Teilnehmerzahl soll
maximal 10 betragen (die optimale Gruppengröße beträgt
8–10 Teilnehmer). Alle Teilnehmer durchlaufen gemeinsam die Seminarteile.
Wünschenswert ist ein kurzes Vorgespräch zur Abstimmung der
Motivationslage sowie zur Erfassung von besonderen Fragestellungen der
Betroffenen.
Dem Kurs liegt ein Handbuch mit Trainerhinweisen zu den einzelnen
Lernzielen zu Grunde. Folienvorlagen und schriftliche Patienteninformationsmaterialien
sind beigefügt. Insgesamt handelt es sich um eine themenzentrierte,
patientenorientierte Vorgehensweise. Es wird interaktiv gearbeitet und
es werden verschiedene Medien benutzt. Ein wesentliches Element ist der
Erfahrungsaustausch der Betroffenen untereinander.
Die Schulung wurde an drei rheumatologischen Rehabilitationskliniken
(Rheumaklinik Bad Bramstedt, Dr. Heinrichs; Rehazentrum Bad Eilsen, Dr.
von Pezold; Karl-Aschoff-Rheinpfalz-Klink, Dr. Droste) im Rahmen stationärer
medizinischer Rehabilitationsbehandlungen durchgeführt. Insgesamt
wurden 167 Patienten geschult („Interventionsgruppe“, abgekürzt
IG, im folgenden auch Schulungsgruppe genannt) und mit 156 nicht geschulten
Patienten verglichen („Kontrollgruppe“ KG = Vergleichsgruppe).
Alle Patienten erhielten eine komplexe individuell abgestimmte
Rehabilitationstherapie: medikamentöse Behandlung, Krankengymnastik
in der Gruppe sowie einzeln, physikalische Therapie (Bäder, Packungen,
Elektrotherapie usw.), Ergotherapie und gesundheitsfördernde Maßnahmen
wie Entspannungstraining, Diätberatung etc. Die Interventionsgruppe
nahm zusätzlich an dem oben beschriebenen Schulungsseminar teil,
die Vergleichsgruppe erhielt ihre Informationen wie üblich durch
Vorträge oder Beratungen mit Therapeuten und Ärzten. Den Mitgliedern
der Vergleichsgruppe wurde keine Information vorenthalten.
Bild 1: Das Studiendesign. Die Interventionsgruppe (IG, geschulte Patienten) bestand aus 167 Patienten, die Kontrollgruppe (KG, ohne Schulung) aus 156 Patienten
Der zeitliche Ablauf der Studie ist im Bild 1dargestellt. Die Patienten wurden zu folgenden Zeitpunkten befragt:
Alle Teilnehmer füllten zu den Erhebungszeitpunkten umfangreiche
Fragebögen aus. Erfasst wurden das krankheitsbezogene Wissen (von
uns entwickelter Fragebogen), Krankheitsaktivität/Schmerz (BASDAI [5],
siehe Messverfahren zur Beurteilung des Krankheitsverlaufs, Selbstwirksamkeit
(Arthritis Helplessness Index, AHI) [6], Funktionskapazität
(FFbH-R) [7], der allgemeine Gesundheitszustand (SF
36) [8] sowie Eigenaktivitäten und gesundheitsökonomische
Parameter (Zusammenarbeit mit Christian Krauth und Jens Rieger, Abteilung
für Epidemiologie und Sozialmedizin der Medizinischen Hochschule
Hannover).
Zielgruppe der Studie waren alle in den beteiligten Kliniken stationär
aufgenommenen Patienten mit einer entzündlichen Wirbelsäulenbeteiligung
im Rahmen einer Spondyloarthritis, die die modifizierten New-York-Kriterien
für eine Spondylitis ankylosans ( Nr. 88 S. 25) [9] erfüllten. Zur Erfassung
auch kürzer Erkrankter wurden zusätzlich Patienten mit einbezogen,
die die Frühdiagnosekriterien nach Mau et al. [10]
und die ESSG-Kriterien einer Spondyloarthritis [11]
erfüllten.
Knapp 71% aller Patienten erfüllten die modifizierten New-York-Kriterien,
knapp 14% die Frühdiagnosekriterien und der Rest entfiel auf sonstige
Spondyloarthritiden nach den ESSG-Kriterien. Die mittlere Beschwerdedauer
lag bei 16,1 Jahren, die Dauer seit der Diagnose bei 9,5 Jahren. Die
mittlere Diagnoseverzögerung von 6,6 Jahren (vom Beschwerdebeginn
bis zur Diagnose) lag geringfügig unter den Angaben aus der Literatur
[12] (DVMB-Patientenbefragung, siehe
Nr. 69 S. 3–18).
Hinsichtlich des aktuellen Medikamentenbedarfs standen 78% der
Patienten unter der Standardmedikation mit nichtsteroidalen Antirheumatika,
10% nahmen Corticosteroide und 8% Osteoporosemedikamente ein und 21%
Basistherapeutika. Immerhin 14,6% der Patienten kamen ohne Medikamente
aus.
Das mittlere Alter der Studienteilnehmer betrug 43 Jahre. 69,5%
der Teilnehmer waren männlich, 30,5% weiblich. 53% nannten als Schulbildung
einen Hauptschulabschluss, 11% hatten Abitur und 36% nannten mittlere sowie
sonstige Bildungsabschlüsse. Mehr als zwei Drittel gaben als Berufsausbildung
eine Lehre an.
Direkt im Anschluss an jedes Schulungs-Modul beurteilten die Teilnehmer die Wichtigkeit, die Verständlichkeit, die Gruppenatmosphäre und den persönlichen Nutzen. Nach Abschluss der gesamten Schulung wurden die Teilnehmer zu mehreren Aspekten befragt:
Die Fragen waren nach dem Schulnotenprinzip aufgebaut, (1 = sehr zufrieden, 6 = gar nicht zufrieden).
In den Ergebnissen kam eine große Zufriedenheit mit dem Programm
zum Ausdruck. Sie stieg sogar 6 Monate nach der Rehabilitationsmaßnahme
noch weiter an und führte zu einer besseren Gesamtbeurteilung des
Rehabilitationsaufenthalts. Positiv wurden insbesondere der Erfahrungsaustausch
mit Mitpatienten und die im Schulungsprogramm enthaltene Information hervorgehoben.
Die Wichtigkeit der einzelnen Module wurde mit Mittelwerten zwischen
1,6 und 2,1, die Verständlichkeit zwischen 1,5 und 2,0, der persönliche
Nutzen mit Mittelwerten zwischen 2,0 und 2,6 eingeschätzt. Die
Gruppenatmosphäre erreichte Werte zwischen 1,8 und 2,1.
Die gesamte Schulung wurde auf einer schulnotenäquivalenten
Skala als verständlich (Mittelwert 1,7) und empfehlenswert (Mittelwert
1,5) beurteilt. Die Gruppengespräche und der Erfahrungsaustausch mit anderen Patienten
wurden als hilfreich bewertet (Mittelwert 2,0).
Erfragt wurde ebenfalls die Beurteilung der Gruppengröße.
Insgesamt wurden 21 Seminare durchgeführt mit einer mittleren Gruppengröße
von 10 Teilnehmern. 80% aller Studienteilnehmer beurteilten diese Gruppengröße
als genau richtig.
Weiterhin interessierte uns, ob die Erwartungen der Teilnehmer
hinsichtlich der Rehabilitation erfüllt wurden. Alle Patienten
wurden 6 Monate später erneut über ihre Zufriedenheit mit den
erhaltenen Informationen, dem Erfahrungsaustausch mit anderen Patienten
sowie über den persönlichen Nutzen zur Rehabilitation befragt.
In den Fragen zur Zufriedenheit zeigten sich deutliche Unterschiede
zwischen geschulten und nicht geschulten Patienten: die Einschätzung
der Schulungsteilnehmer erreichte auf der schulnotenäquivalenten
Skala jeweils bessere Werte (Bild 2).
Bild 2: Bewertung der Information, des Erfahrungsaustauschs und der Rehabilitationsmaßnahme insgesamt 6 Monate nach Ende des Reha-Aufenthalts durch die Patienten der Interventionsgruppe (IG: mit Schulungsprogramm) und der Kontrollgruppe, (KG: ohne Schulungsprogramm)
Als Antwortmöglichkeiten auf die Frage:
stand die Spannbreite zwischen „sehr hilfreich“ und „sehr belastend“ zur Verfügung. Auch hier zeigten sich deutliche Unterschiede zugunsten der geschulten Patienten. Das Schulungsprogramm trug insbesondere dazu bei, aus negativen Erfahrungen entstandene Ängste zu reduzieren. Während in der Schulungsgruppe 78% den Erfahrungsaustausch hilfreich oder sehr hilfreich erlebten, waren dies in der Gruppe ohne Schulungsprogramm nur 51%. Dort gaben sogar 9% die Kategorien belastend oder sehr belastend an, in der Schulungsgruppe nur 3% (Bild 3).
Bild 3: Verteilung der nachträglichen Bewertung des Erfahrungsaustauschs 6 Monate nach Ende des Reha-Aufenthalts durch die Patienten der Interventionsgruppe (IG: mit Schulungsprogramm) und der Kontrollgruppe (KG: ohne Schulungsprogramm)
Der Wissensfragebogen umfasste Wissensbereiche, die in Zusammenhang mit der Erkrankung und ihrer Behandlung wesentlich sind (Krankheitsbild, Medikamente, Krankengymnastik, Lagerung, Selbsthilfe usw.). Sowohl die Teilnehmer der Interventionsgruppe als auch die der Kontrollgruppe profitierten darin von der Rehabilitationsmaßnahme. Der Wissenszuwachs der Schulungsgruppe lag jedoch zu allen Befragungszeitpunkten höher als in der Gruppe, die statt des Schulungsprogramms die Informationen in üblicher Weise, z.B. durch den Arzt, die Therapeuten, durch Vorträge usw. erhielten (Bild 4). Der Unterschied bestand auch noch 12 Monate nach der Rehabilitationsmaßnahme.
Bild 4: Veränderung im Krankheits- und Behandlungswissen vom Beginn (t0) bis zum Ende (t1) des Rehabilitationsaufenthalts, getrennt für die Patienten der Interventionsgruppe (mit Schulungsprogramm) und der Kontrollgruppe (ohne Schulungsprogramm. Mittelwerte und Streuung
Der dafür eingesetzte Fragebogen (BASDAI = Bath Ankylosing Spondylitis
Disease Activity Index, siehe Messverfahren zur Beurteilung des Krankheitsverlaufs)
wurde im englischen Kurort Bath speziell für Patienten mit Spondylitis
ankylosans entwickelt. Er erfasst das Ausmaß an Müdigkeit, Rückenschmerzen,
Schmerzen in den Gelenken, Berührungsempfindlichkeit und Morgensteifigkeit.
Hohe Werte beschreiben eine starke Krankheitsaktivität, niedrige Werte
üllen.
Während des Rehabilitationsaufenthalts kam es in beiden Gruppen
zu einem deutlichen Rückgang der Krankheitsaktivität / der Schmerzen.
Die Patienten der Schulungsgruppe profitierten jedoch in einem höheren
Maße. Dieser Effekt hielt für die gesamte Schulungsgruppe bis
zu 6 Monate nach dem Rehabilitationsaufenthalt an. Bei Frauen mit Patientenschulung
war diese Besserung auch noch nach 12 Monaten feststellbar (Bild 5).
Bild 5: Zeitliche Veränderung der mittleren Krankheitsaktivität, getrennt nach Geschlecht und Teilnahme (IG) oder Nichtteilnahme KG) am Schulungsprogramm
Während der Rehabilitation verändert sich die Einstellung der Betroffenen zu ihrer Erkrankung. In dem eingesetzten Fragebogen (AHI) wird die Überzeugung der Betroffenen erfragt, selbst mit ihrem Handeln Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung nehmen zu können. Zum Beispiel:
Es bestehen jeweils vier Antwortmöglichkeiten: falsch - eher falsch
- eher richtig - richtig.
Die Einstellung, selbst eine ganze Menge zur Bewältigung der Erkrankung
beitragen zu können, nahm für alle Patienten während des Rehabilitationsaufenthalts
zu. Dies bedeutet, dass Patienten durch die stationäre Rehabilitationsmaßnahme
zusätzliche Krankheitsbewältigungs-Kompetenzen erwarben.
Nach der Rehabilitation entwickelten sich die beiden Gruppen jedoch unterschiedlich:
Die Gruppe mit Schulung blieb bei allen Nachbefragungen weiterhin bei dieser
Einschätzung. Die Patienten ohne Teilnahme am Schulungsprogramm dagegen
fielen nach 6 bis 12 Monaten fast wieder auf das Ausgangsniveau zurück
(Bild 6).
Bild 6: Veränderungen der Überzeugung, mit der Krankheit zurechtzukommen, vom Beginn der Reha-Maßnahme (t0) bis 12 Monate nach der Rehabilitations-Maßnahme (t3), für die Gruppen mit (IG) und ohne (KG) Schulungsprogramm
Die trainierenden Anteile der Rehabilitationsbehandlung nehmen einen großen Raum ein. Für alle Patienten bestehen aus diesem Grunde unabhängig von der Teilnahme am Schulungsprogramm Trainingseffekte, d.h. Patienten beider Gruppen führen nach der Rehabilitation mehr Krankengymnastik oder Sport durch und nehmen häufiger an Aktivitäten der Selbsthilfeorganisation teil. Auf der Verhaltensebene ließen sich jedoch für die geschulte Gruppe zusätzliche Effekte im Einsatz von Ablenkungstechniken bezüglich Schmerzbewältigung, in der Anschaffung von ergonomischen Sitzmöbeln und im Wahrnehmen von sozialen Kontakten nachweisen.
Patienten, die am Schulungsprogramm der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie teilnahmen, wissen mehr, haben eine bessere Beweglichkeit und sind überzeugt, selbst eine ganze Menge zur Bewältigung der Erkrankung beitragen zu können.
Wir erwarten, dass es durch Patientenschulung über Einstellungsveränderungen und Erhöhung des krankheitsbezogenen Wissens auch zu Sekundäreffekten kommt. Bei der Spondylitis ankylosans erwarteten wir außer einer Abnahme der Krankheitsaktivität und der Schmerzen auch eine bessere Erhaltung der Funktionskapazität (Beweglichkeit). Zur Erfassung der Funktionskapazität wurde ein Fragebogen (FFbH-R) eingesetzt, bei dem für Patienten mit Rückenerkrankungen gute Erfahrungen vorliegen. Er spiegelt eine gute Funktionskapazität durch hohe Werte (z.B. 90%) wider und eine schlechte Funktionskapazität durch niedrige Werte (z.B. 30%). Die im Bild 7 ersichtlichen Ausgangswerte bei t0 zeigen deutlich die Einschränkung bei den Teilnehmern unserer Studie.
Bild 7: Veränderung der Funktionsfähigkeit im Zeitverlauf, getrennt nach Dauer der Arbeitsunfähigkeit im Jahr vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme
Beide Untersuchungsgruppen profitierten hinsichtlich der Funktionskapazität
von der Rehabilitationsmaßnahme. Jedoch entwickelten sich die Funktionskapazität
nach Abschluss der Maßnahme unterschiedlich: Die Gruppe ohne Schulungsprogramm
verschlechterte sich im Nachbeobachtungszeitraum (mittlerer Ausgangswert
57,6%, nach 12 Monaten 53,3%). Die geschulte Gruppe konnte dagegen ihre Funktionskapazität
in der gleichen Zeit halten (mittlerer Ausgangswert 61,8%, nach 12 Monaten
61,1%). Der Unterschied ist statistisch signifikant: es ist unwahrscheinlich,
dass er zufällig zustande gekommen ist.
Bei weiterer Analyse zeigte sich, dass insbesondere die Gruppe der länger
arbeitsunfähigen Patienten durch die Schulung ihre Funktion halten bzw.
leicht verbessern konnte (Bild 7).
Für beide Gruppen blieb im Nachbeobachtungszeitraum die körperbezogene Lebensqualität konstant. Die psychische Lebensqualität verbesserte sich nach einem Jahr. Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne Schulungsprogramm fanden sich nicht.
Als gesundheitsökonomische Parameter wurden alle Kosten erfasst und ausgewertet, die direkt mit der Erkrankung zusammenhängen (z.B. Inanspruchnahme von physikalischer Therapie, Arztkontakte). Hierbei ergaben sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Gruppen. Zusätzlich wurden die Folgekosten der Erkrankung erhoben, die sich zum Beispiel in Arbeitsunfähigkeitszeiten und vorzeitiger Berentung zeigen. Obwohl bei Beginn der Untersuchung beide Gruppen hinsichtlich der Ausgangswerte für die wesentlichen Krankheitsmerkmale vergleichbar waren, sind die sozialmedizinischen Entwicklungen nach einem Jahr unterschiedlich: Patienten, die am Schulungsprogramm teilnahmen, haben in den 12 Monaten nach der Rehabilitationsmaßnahme erheblich weniger Arbeitsunfähigkeitstage (Tabelle 1).
Ganz besonders deutlich wurde dies wieder bei den Patienten, die vor der Rehabilitationsmaßnahme lange Arbeitsunfähigkeitszeiten hatten (Bild 8). Patienten, die am Schulungsprogramm teilnahmen, konnten ihre Arbeitsunfähigkeitstage um mehr als die Hälfte reduzieren, während bei Patienten ohne Schulung das Niveau gleich blieb oder sich geringfügig verschlechterte.
Bild 8: Abhängigkeit der Arbeitsunfähigkeitdauer im Jahr nach der Rehabilitationsmaßnahme von der Teilnahme am Schulungsprogramm und von der Arbeitsunfähigkeitdauer im Jahr vor der Rehabilitationsmaßnahme
Darüber hinaus stellten von den Patienten, die am Schulungsprogramm teilnahmen, weniger einen Rentenantrag: Die Zahl der Antragsteller war bei den Patienten ohne Schulung etwa doppelt so hoch wie bei den Patienten mit Schulung (Bild 9). Der Unterschied ist statistisch signifikant, d.h. nach entsprechender statistischer Prüfung ist es unwahrscheinlich, dass dieser Unterschied zufällig zustande kam.
Bild 9: Zahl der bereits erfolgten bzw. geplanten Rentenantragstellungen in den 12 Monate nach Rehabilitation, getrennt für die Patienten mit (IG) und ohne (KG) Patientenschulung
Hieraus ergeben sich deutliche gesundheitsökonomische Vorteile der Patientenschulung. Bei Bewertung eines Arbeitsausfalltages mit 152 EURO entsprechend den durchschnittlichen gesamtwirtschaftlichen Lohnkosten je Arbeitstag entsteht durch die Schulung eine Einsparung von ca. 1930 EURO pro Patient. Bei 135 EURO Schulungskosten pro Patient während der Rehabilitationsmaßnahme führt dies zu einem Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1:14 zugunsten der Patientenschulung.
Besonders Patienten mit langen Arbeitsunfähigkeitszeiten
profitieren vom Schulungsprogramm.
Gesundheitsökonomisch zahlt sich die Schulung 14-fach aus.
Anschrift der Verfasserin: Rehazentrum Bad Eilsen, Internistisch-rheumatologische Klinik, Harrlallee 2, 31707 Bad Eilsen